Als besonders ergiebige Methode hat sich die Dilemma-Diskussion erwiesen. Teilnehmende schlüpfen in gegensätzliche Positionen und versuchen Lösungen für Situationen zu finden, die sich zunächst als ausweglos darstellen. Dadurch wird das eigene Wertekonzept herausgefordert und reflektiert.
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Dilemma-Situationen bieten ein hervorragendes Übungsfeld für moralisches Lernen. Durch die bewusste Auseinandersetzung, das Abwägen von Für und Wider und schließlich das Treffen einer Entscheidung zwischen mehreren Werten stellt die Dilemma-Diskussion eine ideale Methode für die Vermittlung von Werten dar (vgl. Gugel, S. 70 ff.).
Für die Gruppe wird eine geeignete Dilemma-Situation ausgewählt (ein paar Beispiele finden sich unten). Anschließend wird den Teilnehmenden Zeit gegeben, sich mit der Situation auseinander zu setzen. Das moralische Problem muss allen deutlich werden.
Im Anschluss findet eine Probeabstimmung statt. In dieser Phase kann die gesamte Gruppe Handlungsalternativen aufzeigen. Die Teilnehmenden stimmen dann per Handzeichen ab, wie die in der Situation beschriebene Person handeln soll. Die Handlungsalternative mit den meisten Stimmen wird im nächsten Schritt näher betrachtet.
Nun werden Kleingruppen von 3-4 Personen gebildet. Die Gruppen werden angewiesen, sich entweder mit Argumenten für oder wider die gewählte Handlungsalternative zu beschäftigen. Mehrere Pro- oder Kontragruppen sind je nach Teilnehmendenzahl möglich. Die Gruppen müssen Argumente für oder gegen die Handlung suchen und diese diskutieren. Die Argumente werden auf einem Flipchart oder einer Metaplanwand festgehalten.
Die Argumente werden danach im Plenum vorgestellt und begründet, wobei diese immer abwechselnd aus einer Pro- und einer Kontragruppe vorgetragen werden. An dieser Stelle ist es wichtig darauf zu achten, dass jedes Argument als zulässig gewertet wird und Angriffe oder Beleidigungen unterlassen werden.
Danach setzen sich die Teilnehmenden wieder in ihren Kleingruppen zusammen. Dort bewerten sie die Argumente der Gegenseite und bringen diese in eine Rangfolge. Ein wesentlicher Faktor für diese Rangfolge ist die jeweilige Überzeugungskraft. Außerdem soll auch diskutiert werden, welche Argumente am besten waren oder nachdenklich gestimmt haben.
Abschließend trifft sich die ganze Gruppe wieder im Plenum und es wird erneut über die eingangs gestellte Frage abgestimmt, wie sich die beschriebene Person verhalten soll. Dabei wird deutlich, ob und wie sich die Meinungen verändert haben. Die Personen, die nun anders abgestimmt haben, werden eingeladen, mitzuteilen, welche(s) Argument(e) ihn oder sie überzeugt hat, eine andere Position zu vertreten.
Im Anschluss an die Methode wird eine Reflexion der Methode und der eigenen Erfahrung durchgeführt. Mitunter soll auch darauf eingegangen werden, ob es Schwierigkeiten gab, ob etwas aus der Methode gelernt wurde und ob es tatsächlich eine Meinungsentwicklung gab.
Die Methode kann natürlich auch variiert werden:
In einer Variante können zwei Personen ausgewählt werden, die jeweils für die Pro- und die Kontra-Seite sprechen. Diese stellen sich in gegenüberliegende Ecken eines Raumes. Der Rest der Gruppe verbleibt in der Mitte und hört den abwechselnd vorgetragenen Argumenten zu. Jede Person kann sich je nach Überzeugungskraft eines Arguments in Richtung Pro oder Kontra bewegen. Nach einer festgelegten Zeit (z. B. 15 Minuten) wird die Verteilung im Raum betrachtet. Wichtig ist, vor allem nur auf das zu reagieren, was man wirklich hört, nicht auf das, was man gerne hören möchte. Die Auswertung kann dann wie in der oben beschriebenen Methode erfolgen.
Eine weitere Variante stellt das Aufstellen in Paaren dar. Statt in Gruppen zu diskutieren, tauscht sich jeweils eine Person der Pro- mit einer der Kontra-Seite aus. Diese Variante beansprucht weniger Zeit und schafft eventuell mehr Offenheit, da es außer dem Partner oder der Partnerin keine Mithörenden gibt. Eine Auswertung kann dann wieder im Plenum erfolgen.
Die folgenden Dilemma-Situationen können für die Methode verwendet werden. Natürlich lassen sich auch aus alltäglichen Situationen entsprechende Dilemmata ableiten und für die Methode aufbereiten:
Das Kapitäns-Dilemma
Ein Kapitän ist mit seinem Fischerboot vor der sizilianischen Küste unterwegs. In der Ferne entdeckt er ein Boot, das offensichtlich manövrierunfähig auf dem Wasser treibt und nähert sich diesem. Nachdem er erkennt, dass sich auf dem Boot Flüchtlinge befinden, setzt er einen Notruf ab. Die Flüchtlinge, darunter auch eine schwangere Frau und Kinder, nimmt er alle an Bord. Der Kapitän entscheidet sich, den nächsten Hafen in Marsala anzulaufen, da die Personen dringend medizinisch und mit Lebensmitteln versorgt werden müssen. Als er seine Anfrage an die italienische Küstenwache richtet, wird ihm das Einlaufen in den Hafen aber strengstens verboten. Außerdem nähert sich die Küstenwache mit einem Schnellbot und versucht das Boot an der Einfahrt in den Hafen zu hindern.
Der Kapitän weiß, dass er festgenommen werden kann, außerdem droht eine Anklage, sollte er mit den Flüchtlingen im Hafen anlegen. Welche Entscheidung soll er treffen? (vgl. Gugel, S. 84)
Das Steuersünder-Dilemma
Dem Finanzministerium werden für den Kaufpreis von 2 Millionen Euro Daten über 1.200 Personen angeboten, die Steuern hinterzogen haben sollen. Es wird davon ausgegangen, dass mit den Daten bis zu 150 Millionen Euro an Steuernachzahlungen eingenommen werden können. Zudem gibt es die Möglichkeit, zahlreiche strafrechtliche Verfahren einzuleiten. Leider gestaltet sich die Situation aber etwas schwieriger als erhofft.
Die Daten sind illegal erworben, weswegen der Staat eine Straftat unterstützt und sogar honoriert, sollte er die Daten-CD kaufen. Gleichzeitig möchte sich das Ministerium natürlich nicht die Chance entgehen lassen, die Steuergelder zurück zu holen. Andernfalls könnte das einen hohen Schaden für das Gerechtigkeitsgefühl in der Gesellschaft bedeuten. Wie würden Sie sich als zuständiger Minister oder als zuständige Ministerin entscheiden? (vgl. Gugel, S. 85)
Das Umweltschutz-Dilemma
Ein Hersteller von Kunststoffprodukten leidet besonders unter dem starken Preisdruck, der durch viele günstige Anbieter aus dem Ausland entsteht. Vor allem die Kosten für die sachgerechte Entsorgung der Abfallprodukte belasten das Geschäft. Als er einem Freund davon erzählt, gibt dieser ihm den Tipp, auf die hohen Kosten zu verzichten und stattdessen einen rumänischen Betrieb mit der Entsorgung zu beauftragen. Dieser würde die Abfälle abholen und eine entsprechende Bescheinigung über die Entsorgung ausstellen.
Der Unternehmer muss Teile seiner Belegschaft kündigen, sollte er nicht bald die Kosten für die Produktion senken können. Andernfalls weiß er auch, dass man zu dem Angebot des rumänischen Unternehmens Abfälle bestimmt nicht sachgerecht entsorgen kann. Sollte der Unternehmer dennoch auf das Angebot setzen? Was empfehlen Sie ihm? (vgl. Gugel, S. 85)
Das Facebook-Dilemma
Susanne arbeitet seit kurzem in einem Beratungsunternehmen. Sie mag das freundliche Miteinander der Kolleginnen und Kollegen und freut sich auf eine langfristige Perspektive in dem Unternehmen. Allerdings findet sie ihren Personalchef sehr unangenehm. Dieser hat ihr bereits im Vorstellungsgespräch Fragen gestellt, die nichts mit der ausgeschriebenen Position zu tun haben und ihr eindeutig zu persönlich waren.
Nachdem sie vier Wochen in dem Unternehmen gearbeitet hat, findet sie eine Freundschaftsanfrage auf ihrem Facebook-Profil. Diese kommt von ihrem Personalchef. Susanne stellt sich nun die Frage, ob sie diese Anfrage annehmen soll. Schließlich kann genau diese Person auch mitentscheiden, ob sie ihre Probezeit besteht. Wie würden Sie sich an der Stelle von Susanne entscheiden? (vgl. Gugel, S. 84)
Referenzen
Gugel, G. (2013). Didaktisches Handbuch: Werte vermitteln - Werte leben. Tübingen: Berghof Foundation.
Lind, G. (2015). Moral ist lehrbar! Wie man moralisch-demokratische Fähigkeiten fördern und damit Gewalt, Betrug und Macht mindern kann. Berlin: Logos.
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Setzen Sie die Dilemma-Diskussion zu einem passenden Zeitpunkt in Ihrer Weiterbildung ein. Dafür können Sie eines der vorgenannten Beispiele verwenden. An folgenden Fragen können Sie die Durchführung dokumentieren:
Was lief gut, was weniger gut?
Haben die Teilnehmenden eine Veränderung des eigenen Wertebezugs wahrgenommen?
War die Stimmung während der Übung eher gelöst oder eher angespannt?
Haben die Ergebnisse der Teilnehmenden Ihren Erwartungen entsprochen?