wb-web: Was sind die Aufgaben der Ehrenamtlichen?
Binte-Wingen: Freiwillige übernehmen vielfältige Aufgaben! Beginnend mit der Begleitung zum Arzt und zu Behörden, Anmeldung der Kinder in der Schule, Unterstützung im Alltag bei Fragen wie „Wo gehe ich einkaufen“, „Wo und wie bekomme ich Kleidung“, „Wo finde ich den richtigen Sportverein für mein Kind oder mich selbst“, über Unterstützung im Erlernen der Sprache. Menschen im Asylverfahren haben kein Recht auf einen Sprachkurs. Wir organisieren kleine Lerngruppen mit Ehrenamtlichen, die in der Vermittlung von Sprache geschult wurden – z. B. für junge Männer, die alleine geflohen sind, oder Frauen, Kleinkinder, Schüler und Jugendliche. Es geht darum, erste Begriffe und Sätze zu üben.
Freiwillige schaffen Begegnungen wie z. B. gemeinsames Kochen, Sport, Ausflüge, Nachbarschaftsfest u.v.m. Freiwillige helfen und unterstützen in allen Dingen des alltäglichen Lebens, damit die Menschen sich hier zurechtfinden und sich willkommen fühlen.
wb-web: Wie findet man Helfer? Ist es schwierig, Menschen für das Ehrenamt zu interessieren?
Binte-Wingen: In der Arbeit mit Flüchtlingen ist es überhaupt kein Problem, Menschen zu finden, die sich engagieren wollen! Die Menschen melden sich unaufgefordert in großer Zahl.
wb-web: Was sind deren Beweggründe?
Binte-Wingen: Nur ein Teil der Freiwilligen hat einen eigenen Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung. In einer Studie über die Motive des bürgerschaftlichen Engagements des Instituts für Demoskopie Allensbach im August 2013 wurde eine ganze Reihe von Motiven für freiwilliges Engagement deutlich. Hauptmotive sind:
- die Freude an der Tätigkeit für andere (95%),
- anderen zu helfen (86%),
- sich für bestimmte Anliegen oder Gruppen einzusetzen (82%),
- das Gefühl, gebraucht zu werden (82%),
- mit der eigenen Tätigkeit etwas zu bewegen (83%),
- das Leben an ihrem Wohnort attraktiver zu machen (70%).
Zugleich spielen neben den altruistischen Antrieben Erwartungen eine große Rolle:
- bei der freiwilligen Tätigkeit Leute zu treffen und Kontakte zu pflegen (82%),
- Abwechslung zum Alltag zu erleben (67%) sowie
- den eigenen Interessen und Neigungen nachzugehen (75%),
- nicht zuletzt die Suche nach einer sinnvollen Aufgabe (65%).
In den Medien findet das Thema ja täglich seinen Platz. Leider stehen aber die Probleme der Kommunen mit den finanziellen Belastungen oft im Vordergrund. Aber es geht ja nicht nur darum, den Menschen ein Dach über dem Kopf, zu essen und Kleidung zu geben. Wir sehen täglich, welches Elend und welche Not in den Kriegsgebieten herrschen. Betroffenheit über das, was viele durchmachen müssen und dem Menschen innewohnende Hilfsbereitschaft sind die Hauptmotive. Nicht nur Freiwillige, die im Ruhestand sind, helfen, sondern auch viele, die noch voll im Beruf stehen und Familie haben.
Freiwillige wollen Flüchtlinge unterstützen, weil sie zeigen wollen, dass sie hier willkommen sind! Sie sind selbst gespannt auf die Begegnung und haben Freude daran, Menschen und andere Kulturen kennenzulernen und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
wb-web: Wie sind die Erfahrungen?
Binte-Wingen: Gut! Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten und Missverständnisse wie in jedem anderen Bereich des freiwilligen Engagements, in dem sich Menschen begegnen. Da, wo Menschen aufeinandertreffen und eventuell unterschiedliche Erwartungshaltungen im Raum stehen, ist es wichtig, sensibel miteinander umzugehen. Darauf zu achten, dass die Hilfe „auf Augenhöhe“ geschieht, ist in allen Bereichen des Engagements wichtig. Aber in der Regel ist es eine wunderbare Win-win-Situation, in der nicht nur die Flüchtlinge Hilfe bekommen, sondern auch der Freiwillige über den persönlichen Gewinn berichtet.
wb-web: Welche Probleme können auftreten?
Binte-Wingen: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Wie in allen Bereichen der Gesellschaft und des freiwilligen Engagements ist es auch in der Unterstützung von Flüchtlingen wichtig zu schauen, was mein Gegenüber braucht und möchte. Sie mussten ihre Heimat und alle sozialen Bezüge verlassen und viele haben Schlimmes erlebt. Unsere Kultur und unser Alltag unterscheiden sich zum Teil massiv. Oft brauchen die Menschen erst mal „Zeit zum Ankommen“! Vertrauen aufzubauen und sich kennenzulernen braucht ebenfalls Zeit. Wohlmeinende Angebote, statt zu fragen, was mein Gegenüber braucht, sensibel nach den Bedürfnissen des anderen zu schauen und zu fragen, ist hier wichtig.