Rieke Gräbner gibt Trainings zum Erlernen der Programmiersprache HTML: 

„Im Winter sind zwei meiner HTML-Trainings gestartet. Zu Beginn der Trainings habe ich in einem der beiden Kurse gemerkt, dass die Vorerfahrungen und Kenntnisse der Teilnehmenden extrem voneinander abweichen. Deshalb habe ich mich dort entschieden, teilweise individualisierte Phasen einzubauen, in denen die Teilnehmenden mit ganz individuellen Lernzielen arbeiten. Das funktionierte jedoch nur, weil in dem Kurs nur fünf Teilnehmende angemeldet waren. Der andere Kurs bestand aus acht Teilnehmenden mit relativ ähnlichen Vorerfahrungen. Hier habe ich eher durch individuelle Hinweise und Fragen differenziert, habe aber keine individuellen Lernziele aufgestellt.” 

Differenzierung durch Einzel- oder Selbststudium 

Die radikalste Form der Binnendifferenzierung ist das individualisierte Selbststudium oder Einzelstudium innerhalb von Lerngruppen. Hier kann es sein, dass die Teilnehmenden am Ende komplett unterschiedliche Lernziele verfolgt und andere Dinge gelernt haben. Dieses Vorgehen eignet sich für zeitlich umfangreichere Kurse und benötigt eine gute Vorbereitung und Begleitung durch Lehrende.   Wichtig ist auch, dass der organisatorische Rahmen einer Weiterbildung dieses Vorgehen hergibt.

Folgende Vorgehensweisen sind hier denkbar: 

Wählen Sie die  beiden Überschriften an, um mehr zu den Vorgehensweisen zu erfahren.

Schriftliches Formulieren von individuellen Lernzielen

Die Teilnehmenden setzen sich in Abstimmung mit den Kursleitenden für die Kursdauer oder eine bestimmte Zeit individuelle Lernziele (Aschemann et. al. 2011). Diese sollten am besten schriftlich festgehalten werden. Auf Basis der Ziele wird ein Lernplan erarbeitet, in dem z. B. festgelegt wird, welche Materialien und Aufgaben genutzt werden sollen, um das Ziel zu erreichen. Je nach technischer Voraussetzung können Lehrende zum Beispiel passend zu den Zielen entsprechende Materialien und Aufgaben online zuordnen oder freischalten.

Arbeit mit Kompetenzraster oder Kompetenzportfolio

Bei der Arbeit mit einem Kompetenzraster oder Kompetenzportfolio können Sie folgendermaßen vorgehen: Durch eine Einstiegsdiagnostik mit Hilfe z. B. von Online-Assessments oder eingereichten Dokumenten, können Lernende individuell eingeordnet werden und im Idealfall mitentscheiden, wo sie sich weiterentwickeln wollen. Auf Basis der Entwicklungsziele wird ein Lernplan festgelegt, indem z. B. festgelegt wird, welche Online-Materialien und -Aufgaben genutzt werden sollen, um das Ziel zu erreichen.

Bei all diesen Formen des individualisierenden Lernens gilt es jedoch zu bedenken, „dass hier der Strukturierung und aktiven Rolle der Lehrenden eine zentrale Rolle zukommt“ (Wischer, 2008, S. 716). Vor allem Menschen mit wenig Bildungserfahrung haben dafür meist noch keine bewussten Strategien und brauchen dafür Anleitung und Rückmeldungen (vgl. Aschemann et al. 2011). 

Hier berichtet Rieke Gräbner von ihrem HTML-Kurs:

 „Nach einer Einführung in die Thematik HTML habe ich den Lernenden mitgeteilt, dass sie sich nun anhand ihres Vorwissens individuelle Lernziele für den Kurs setzen sollen.  Nachdem sie diese notiert hatten, habe ich mir das Ganze nochmal angeschaut und in  Rücksprache mit ihnen angepasst. Manche  Lernende haben sich sehr viel vorgenommen, zum Beispiel das Programmieren mehrerer Websites,  während andere sich selbst nicht ausreichend gefordert haben.

 Im Anschluss habe ich für sie jeweils individuelle Materialien, die zur Erreichung ihrer Lernziele beitragen, auf der Lernplattform freigeschaltet.  Bei Lernenden mit weniger Vorwissen waren das zum Beispiel Yotube-Videos, die Grundlagen erklären. Bei fortgeschritteneren Lernenden waren das auch Artikel aus Fachzeitschriften, die sich mit bestimmten neuen Entwicklungen im Programmieren mit HTML beschäftigen. Außerdem habe ich in Anlehnung an die jeweiligen Lernziele am Ende jeder Woche kleine Quizzes erstellt, die den individuellen Fortschritt begleiten sollten. Auf diese Weise  habe ich  versucht, die Lernenden individualisiert bei ihrem Lernprozess zu unterstützen.” 

Vorgehensweisen für eine Binnendifferenzierung innerhalb der Lerngruppe 

Zwischen den beiden gegensätzlichen Ansätzen der latenten Differenzierung und des individuellen oder Selbststudiums gibt es viele Formen der Binnendifferenzierung. Oft wird von einer durchschnittlichen Gruppe ausgegangen, basierend auf Geschwindigkeit oder Niveau. Zusätzliche Angebote werden für diejenigen geplant, die Schwierigkeiten haben (und gelegentlich auch für diejenigen, die besonders stark sind) (Aschemann et al. 2011).  

Im Folgenden finden Sie einige Beispiele für solche Extra-Angebote ( nach ebenda): 

Wenden Sie die Karten, um die Rückseite zu sehen.

Die Grafik zeigt einen Schreibtisch mit einem Bildschirm, auf dem vier Personen in einer Konferenz zu sehen sind.

                              Lernen in digitalen Lerngruppen, iStock.com,  Alina Lys, nicht unter freier Lizenz 

Offene und kooperative Aufgabenformate für die Binnendifferenzierung 

 Eine Möglichkeit der individuellen Anpassung im Unterricht sind offene Aufgaben, die verschiedene "richtige" Lösungen auf unterschiedlichen Niveaus zulassen. Dabei ist es wichtig, dass alle Lernenden die Möglichkeit haben, das Ziel zu erreichen. 

In einem Englischkurs könnte eine Aufgabe wie "Präsentieren Sie etwas über ein bestimmtes Land" so gestaltet sein, dass sie nicht nur verschiedene Längen der Präsentation erlaubt, sondern auch sowohl einfache als auch komplexe sprachliche Lösungen möglich sind.

Methoden zur kooperativen Anpassung haben das Ziel, die Zusammenarbeit in gemischten Gruppen zu fördern. Dazu gehören Gruppenarbeit, gemeinsame Ideensammlung oder Feedback von Mitschülern (vgl. Aschemann et al. 2011)


Referenzen

Aschemann, B., Gugler P., & Nimmerfall, M. (2011). Vierzig Wege der Binnendifferenzierung für heterogene LernerInnen-Gruppen. Graz: Frauenservice Graz. 

Bönsch, M. (2008). Methodik der Differenzierung. Die Berufsbildende Schule, 60/2008, S. 324- 328. 

Kaufmann, S. (2007). Heterogenität und Binnendifferenzierung im DaZ-Unterricht. In S. Kaufmann (Hrsg.), Fortbildung für DaZ-Kursleitende (S. 186 – 214). Ismaning: Hueber

Kiper, H. (2008). Unterrichtsplanung für heterogene Lerngruppen. In H. Kiper,  S. Miller, C. Palentien, & C. Rohlfs (Hrsg.), Lernarrangements für heterogene Gruppen (S. 127-152). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. 

Wischer, B. (2008). Binnendifferenzierung ist ein Wort für das schlechte Gewissen des Lehrers. Erziehung und Unterricht, 158 (9/10), 714–722.