Niklas Heidel  berichtet hier über sein Lernangebot „Coding-Bootcamp: Webentwicklung im Front-End”

Per Klick auf das Play-Symbol können Sie sich seine Erfahrungen anhören.  

 

Auf dem Bild sieht man einen Mann mit Headset an einem Laptop. Der Gesichtsausdruck ist neutral bis zweifelnd.

Transkript

In meinem Online-Kurs zur Webentwicklung stelle ich immer wieder fest, dass die Teilnehmenden sehr unterschiedlich lernen und sich auch bezüglich ihrer Voraussetzungen und Vorkenntnisse unterscheiden. Mittlerweile versuche ich vor allem bezüglich unserer Lernplattform binnendifferenziert vorzugehen, indem sich die Plattform adaptiv an die Bedürfnisse der Lernenden anpasst.  

Das System passt sich an den Lernfortschritt und die  Lerngeschwindigkeit der Lernenden an. Das System erkennt, während der Lernende Module bearbeitet, den erworbenen Wissensstand und liefert Vorschläge hinsichtlich der Wahl des nächsten Moduls oder der nächsten Einheit. So kann das System beispielsweise empfehlen, eine bestimmte Einheit zu wiederholen oder auch zu überspringen.

Die Plattform würde ich mittlerweile auch eher Learning-Experience-Plattform nennen. So nennt man eine  lernerzentrierte Software, die dazu gedacht ist, personalisierte Lernerlebnisse zu schaffen. Mittels künstlicher Intelligenz und Data Analytics entstehen hier personalisierte Lernerlebnisse. Die Teilnehmenden berichten mir in unseren wöchentlichen persönlichen Treffen, dass sie begeistert sind, wie sehr das System auf alle individuell eingeht.

Was bedeutet Adaptivität?

Definition: Adaptivität

Adaptivität bezeichnet die Fähigkeit einer digitalen Lernplattform, sich an die individuellen Voraussetzungen wie Lernstile oder den Fortschritt der Lernenden anzupassen (vgl. Niegemann et al., 2008, S. 308).

Eine digitale Lernumgebung ist also nur wirklich adaptiv, wenn sie sich automatisch dem Nutzungsverhalten anpasst. Jedoch ist die Umsetzung von Adaptivität oft herausfordernd, sei es aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen.

Adaptierbarkeit ist  eine einfachere Form der Anpassung (vgl. Niegemann et al. 2008). Bei einer adaptierbaren Lernumgebung können entweder Lehrende oder Tutorinnen oder Tutoren die Einstellungen anpassen oder die Nutzenden können die Oberfläche oder Schwierigkeitsgrade individuell anpassen. 

Die Grafik zeigt zwei Personen die mittels verschiedener digitaler Tools verbunden sind.

Adaptiv Lernen, iStock.com,  uniquepixel, nicht unter freier Lizenz 

Adaptivität bietet klare Vorteile: Wo Lernende mit wenig Vorwissen zusätzliche Unterstützung beim Lernen und der  Navigation benötigen, sind Fortgeschrittene gelangweilt. Durch die Integration adaptiver und adaptierbarer Elemente können Motivations- und Lernerfolgsprobleme vermieden werden. (vgl. z.B. Kalyuga, 2007). 

 Formen der Adaptivität

Leutner (2002) unterscheidet adaptive Lehrsysteme in Mikroadaptivität (oder Adaptivität) und Makroadaptivität (oder Adaptierbarkeit) (vgl. Lehmann 2010).

Klicken Sie im Folgenden auf die  Fragezeichen, um sich weitere Informationen zu den Formen (nach Lehmann 2010) anzuschauen:

Zusammenfassung 

Lehmann (2010) fasst die Möglichkeiten von Adaption für die Binnendifferenzierung wie folgt zusammen:

Sie kann durch unterschiedliche Instanzen vorgenommen werden. Unabhängig davon kann beim  Adaptionsinput unterschieden werden:

  • Der Abgleich der Interaktionen der Nutzenden mit der Lernplattform mit vorher definierten Regeln, die die Durchführung der Adaption steuern. 
  • Bewusste Steuerungsentscheidungen der Nutzenden oder einer Lehrperson (Burgos et al., 2007).  

Es lassen sich also fünf Dimensionen zur Charakterisierung adaptiver Lernumgebungen festhalten (vgl. Burgos et al., 2007; Leutner, 2002; nach Lehmann 2010, S. 19):  

  1. Die durchführende Instanz (System, Lehrperson, nutzende  Person)
  2. Die Quelle des Entscheidungsinputs (z. B. Testergebnisse, Interaktionsdaten, …)
  3. Die Taktung der Adaption (z. B. einmalig oder nach bestimmten Interaktionen)
  4. Der Gegenstand der Adaption (z. B. Niveau, Inhaltsaufbereitung, …)
  5. Der Zweck der Adaption (z. B. Lernzufriedenheit, Lernergebnis)

Adaptive Lernplattform, iStock.com,  Flashvector, nicht unter freier Lizenz 

 Wie kann Technik bei der Adaptivität unterstützen?  

Adaptives Lernen kann in verschiedenen Lernszenarien und durch verschiedene Typen technischer Systeme unterstützt werden. 

Im Folgenden finden Sie einige Beispiele:   

Microlearning-Systeme oder -Apps  

Microlearning bezeichnet das Erlernen neuer Inhalte und Fähigkeiten mittels kleinerer Lerneinheiten. Die Dauer solcher Lerneinheiten bewegt sich zwischen zwei und fünfzehn Minuten. Der Aufbau des Lernwegs ist intuitiv und einfach gestaltet.   

Microlearning-Apps "nutzen Algorithmen, um die Wiedervorlage von kleinsten Inhalten / Portionen in Abhängigkeit von den bisherigen Ergebnissen zu steuern" (Meier et al. 2019, S. 30). Viele Sprachprogramme auf dem Smartphone nutzen diese Technologie.  

Intelligente tutorielle Systeme (ITS) 

Intelligente tutorielle Systeme sind adaptive und flexible Lernsysteme, die Methoden der kognitiven Psychologie und der künstlichen Intelligenz benutzen. Das ITS versucht zu erkennen, wie gut das Wissen eines bestimmten Anwenders oder einer bestimmten Anwenderin ausgeprägt ist, und passt entsprechend dieser Ausprägung den zu vermittelnden Inhalt an. Ein Anwender, der z. B. Schwierigkeiten mit den Grundzügen einer Materie hat, wird (im Optimalfall) nicht sofort mit schwierigem Stoff konfrontiert. Stattdessen bekommt er so lange Grundlagen vermittelt, bis seine Antworten zeigen, dass er zu fortgeschrittenerem Themenstoff bereit ist.  

Für adaptive Lernumgebungen gibt es unterschiedliche, meist kostenpflichtige, Anbieter, wenn man den Aufwand scheut, eine Plattform selbst zu bauen.  

Learning-Experience-Plattformen (LXP)

Eine Learning Experience Plattform (LXP) ist eine lernerzentrierte Software, die dazu gedacht ist, personalisierte Lernerlebnisse zu schaffen und Nutzenden beim Entdecken neuer Lernmöglichkeiten zu helfen. Sie nutzt die Kombination von Lerninhalten aus verschiedenen Quellen, Empfehlungen und Bereitstellung mithilfe künstlicher Intelligenz und über alle digitalen Touchpoints hinweg, z. B. als Desktop-Applikation, mobile App und mehr.  

Durch Zugriff auf die Daten und Funktionen existierender Umgebungen, sowie die Ergänzung um neuere Funktionen, wie Künstliche Intelligenz (KI) und Data Analytics, können LXPs proaktiv Lernbedarfe und Defizite erkennen und Lernstrategien definieren, um diese Lücken zu überbrücken.  

Auch hier gibt es bereits einige Anbieter, die individuell auf die Kunden und Kundinnen zugeschnittene, kostenpflichtige Modelle anbieten bzw. dabei unterstützen, bereits implementierte Learning-Management-Systeme aufzurüsten.  

Datenschutz und Datensicherheit   

Ein wichtiges Thema bei der Auswahl, der Einführung und dem Betrieb von adaptiven Lernumgebungen sind "Aspekte wie Daten, Datennutzung und Datensicherheit. In digitalen Lernumgebungen erzeugen die Lernenden in der Interaktion mit Plattformen und Lernressourcen fortlaufend Datenspuren" (Meier et al. 2019, S. 31). Umfangreiche Daten zu diesen Interaktionen sind die unverzichtbare Grundlage für personalisierte Lernumgebungen. 

"Je mehr Datenpunkte zur Verfügung stehen (welcher Typ von Nutzer hat welchen Typ von Inhalt bzw. welche Lernaufgabe in welcher Sequenz in welcher Zeit mit welchem Erfolg bearbeitet?), desto besser sind die auf der Grundlage von Algorithmen ermittelten individualisierten Empfehlungen für nächste Lernobjekte beziehungsweise Lernaktivitäten" (ebenda). Wichtig ist hierbei jedoch, die aktuell geltenden Regelungen, zum Beispiel die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), bei der Einführung zu berücksichtigen und zum Beispiel die Nutzenden beim Anmelden um ihr Einverständnis der Datennutzung für bestimmte Zwecke zu fragen und für eine ausreichende Sicherheit der Daten zu sorgen.  


Referenzen

Brusilovsky, P. (1998). Methods and techniques of adaptive hypermedia. In P. Brusilovsky, A. Kobsa & J. Vassileva (Hrsg.), Adaptive Hypertext and Hypermedia (1-43). Dordrecht: Kluwer Academic Publishers.  

Burgos, D. & Specht, M. (2007). Modeling Adaptive Educational Methods with IMS Learning Design. Computer Science. http://dx.doi.org/10.5334/2007-8 (zuletzt abgerufen am 20.06.2023)

Kalyuga, S. (2007). Expertise reversal effect and its implications for learner-tailored instruction. Educational Psychology Review, 19(4), 509–539. 

Lehmann, R. (2010): Lernstile als Grundlage  adaptiver Lernsysteme in der  Softwareschulung.  Münster: Waxmann.

Leutner, D. (2002). Adaptivität und Adaptierbarkeit multimedialer Lehr- und Informationssysteme. In L. J. Issing & P. Klimsa (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet (3. Aufl., S. 115–125). Weinheim: Beltz.  

Meier, C.; Gori, S. (2019):  Adaptive Lernumgebungen - Lernwirksamkeit und Umgang mit Daten im Blick behalten.  In: Personalführung 10/2019. S. 28-33.

Niegemann, H., Domagk, S., Hessel, S., Hein, A. & Hupfer, M. (Hrsg.) (2008). Kompendium multimediales Lernen. Heidelberg, Berlin: Springer.