Was ist Interaktivität?

„Der Begriff Interaktivität bezeichnet einen dynamischen Prozess zwischen einem Lernenden und einem Lernsystem. Dabei sollte mindestens eine der Grundfunktionen des Lehrens (Klauer 1985; Klauer und Leutner, 2012) unterstützt werden: Motivation, Information, Förderung von Behalten, Verstehen und Transfer sowie Regulation und Organisation des Lernprozesses“ (Niegemann & Heidig, 2020, S. 343).  

„Ziel der Gestaltung interaktiver Lernumgebungen ist es [also] im übergeordneten Sinne, Lernende interaktive Erfahrungen machen zu lassen, indem sie ihr Lerngeschehen aktiv beeinflussen und verfolgen können“ (Zumbach, 2021, S. 29).  

Interaktivität kann so also die Involvierung Lernender in den Lernprozess fördern, indem die Technologie Aktionen von Lernenden aufgreift, auswertet und darauf reagiert. Auf die Rückmeldung können Lernende wiederum reagieren. Daraus ergibt sich idealerweise eine Verbindung zwischen der Lernsituation und der realen Welt und das Gefühl von Kontrolle auf Seiten der Lernenden (vgl. Zumbach, 2021). Auf den individuellen Lernprozess haben aber auch weitere Faktoren, wie das Vorwissen, der bevorzugte Lernstil oder das Thema einen Einfluss.  

Interaktionsmöglichkeiten müssen unbedingt einen Mehrwert für den Lernprozess bieten, wie das folgende Beispiel zeigt: 

Online-Musikunterricht

Online-Musikunterricht/ iStock.com

/Iona Studio/nicht unter freier Lizenz

Emil Busk ist Musiker und Musiklehrer und hat in seiner Freizeit eine Lernplattform aufgebaut, auf der er kurze Kurse für seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer anbietet, die sich noch tiefer mit dem Instrument oder der Musik auseinandersetzen möchten. Herr Busk war bei Erstellen der Seite ganz begeistert von den vielen technischen Spielereien, die sich auf einer Homepage einbauen lassen. Das Feedback der Teilnehmenden hat ihn jedoch eines Besseren belehrt: Sie waren entweder genervt von den ganzen Interaktionsmöglichkeiten, die  keinen nennenswerten Mehrwert lieferten, oder sie ließen sich davon ablenken.  

Herr Busk hat seine Seite daraufhin völlig überarbeitet und alle Interaktionsoptionen hinterfragt. Übrig geblieben sind die Multiple Choice-Aufgaben mit einer automatischen Auswertung, die der Analyse von Fehlern und Wissenslücken dienen und die Möglichkeit bieten, sich Inhalte wiederholend noch einmal anzuschauen. Außerdem durften die Hyperlinks bleiben, durch die die Teilnehmenden zu weiteren vertiefenden Inhalten gelangen.  

Was ist Adaptivität?

„Unter Adaptivität wird die Anpassung eines Systems an die Präferenzen des jeweiligen Nutzers aufgrund von Interaktionsdaten verstanden. Dadurch soll die Benutzerfreundlichkeit (usability) und die Lernfreundlichkeit (learnability) auf einem möglichst hohen Niveau realisiert werden. Angepasst werden zum Beispiel Aufgaben-, Präsentations- und Antwortzeiten, der Schwierigkeitsgrad sowie Hilfen beim entdeckenden Lernen […]“ (e-teaching.org). 

Aus pädagogischer Sicht ist es das Ziel von Adaptivität, „Wissensinhalte so zu vermitteln, dass diese in Relation zu bereits bestehendem Wissen gelernt werden und sich dadurch optimal in bestehende Schemata einfügen können“ (Häne et al., 2006, S. 297). Dafür werden Lernstände und Vorwissen diagnostiziert und der Lernprozess darauf angepasst. Ziel dieses Vorgehens ist es, das Vorwissen zu aktivieren, damit Lernende daran anknüpfen können. Lernen erfolgt somit nicht planlos, sondern adaptiv, da es sich an bestehendem und dem im Lernprozess erworbenen Wissen orientiert. Dieses Vorgehen verspricht einen besonders hohen Lernerfolg (vgl. Leutner, 1992).  

Wie können Interaktivität und Adaptivität den Lernprozess anregen?  

Durch interaktive Optionen innerhalb von Lernumgebungen ergibt sich das Potential für Adaptierbarkeit: Eingaben der Lernenden (Interaktivität) können ausgewertet werden und die folgenden Empfehlungen können an die Auswertungsergebnisse angepasst werden (Adaptivität) (vgl. Leutner, 2002). Dabei lassen sich unterschiedliche Interaktionsanlässe und Adaptionsziele unterscheiden, wie die folgende Grafik zeigt: 

 

Schaubild Interaktivität und Adaptivität

Interaktivität und Adaptivität, Grafik: Eigene Darstellung nach Middendorf, 2022 

Onlinekurs Ablagesystem

Online-Ordnersystem, Bild: iStock.com,

ipuwadol, nicht unter freier Lizenz

Jens Roth ist Anwalt für Medienrecht. Für Trainerinnen und Trainer hat er die wichtigsten Punkte, die digitale Lernumgebungen betreffen, aufbereitet und auf einem Padlet zusammengestellt. So hat er eine explorative und kollaborative digitale Lernumgebung geschaffen, die er beliebig ausbauen und anpassen kann.  

Bei allen Tools muss auch Herr Roth datenschutzrechtliche Aspekte (DSGVO bzw. BDSG) beachten. Durch Verlinkungen integriert er interaktive Tests und Übungen. Anhand der Ergebnisse empfiehlt er dann weitere Inhalte des Boards.    

Durch die Möglichkeiten der Ablage von Dateien auf dem Padlet und der Verlinkung verschiedener Padlets kann Herr Roth ein umfängliches Netzwerk von Aufgaben, Materialien und Hilfestellungen einrichten, in dem die Lernenden entsprechend ihren Interessen und Lernbedarfen navigieren können. 

Was sind Intelligente Tutorielle Systeme (ITS)?   

Eine besondere Form adaptiver Lernumgebungen sind ITS, bei denen „die Adaption auf Basis der Programmierung einer Künstlichen Intelligenz (KI) beruht“ (Zumbach, 2021, S. 38). Liegt den Empfehlungen der Wissensstand der Lernenden zugrunde, ist die Basis des Systems ein Wissensmodell, welches den zu vermittelnden Themenbereich beherbergt („domain model“). Das ITS funktioniert, indem es das Modell der Lernenden („student model“) ständig anhand von Lernerdaten aufbaut und aktualisiert und dann mit dem Modell zur pädagogisch-didaktischen Wissensvermittlung („tutor model“) abgleicht, um entsprechende Lernempfehlungen zu geben (vgl. Zumbach, 2021). Die kontinulierliche Erfassung der Lernerdaten wird „Data Mining“ genannt. Technisch können ITS sehr unterschiedlich umgesetzt werden (vgl. Kulik, 2016). 


Referenzen

e-teaching.org: Adaptivität. Verfügbar unter: https://www.e-teaching.org/materialien/glossar/adaptivitaet (zuletzt abgerufen am 21.08.2024) 

Häne, M., Streule, R., Egli, S., Oberholzer, R. & Läge, D. (2006). Adaptivität und deren Evaluation im E-Learning. In Seiler Schiedt, E., Kälin, S. & Sengstag, C. (Hrsg.), E-Learning – alltagstaugliche Innovation? (S. 296-305 ). Münster: Waxmann.

Klauer, K. J. (1985). Framework for a theory of teaching. Teaching & Teacher Education, 1(1), 5–17. 

Klauer, K. J. & Leutner, D. (2012). Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie (2. Aufl.). Weinheim: Beltz/PVU. 

Kulik, J. A. & Fletcher, J. D. (2016). Effectiveness of intelligent tutoring systems: A meta-analytic review. Review of Educational Research, 86(1), 42–78. 

Leutner, D. (1992). Adaptive Lernsysteme. Instruktionspsychologische Grundlagen und experimentelle Analysen. Weinheim: Psychologie Verlags Union. 

Leutner, D. (2002). Adaptivität und Adaptierbarkeit multimedialer Lehr- und Informationssysteme. In Issing, L. J. & Klimsa, P. (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet. (S. 115-125 , 3. vollständig überarbeitete Auflage), Berlin/Illmenau: Beltz, 

Middendorf, W. (2022). Digitale Lernumgebungen – didaktische Möglichkeiten und praktische Fragen. DIPF. Verfügbar unter: Digitale Lernumgebungen - didaktische Möglichkeiten und praktische Fragen (pedocs.de) (zuletzt abgerufen am 21.08.2024)  

Niegemann, H.& Heidig, S. (2020). Interaktivität und Adaptivität in multimedialen Lernumgebungen. In Handbuch Bildungstechnologie (S. 343–367). Heidelberg: Springer. 

Zumbach, J. (2021). Digitales Lehren und Lernen. Stuttgart: Kohlhammer .