Im E-Learning-Kurs werden alle Informationen zunächst im Arbeitsgedächtnis verarbeitet. Bei zunehmender Informationsflut kann das Gehirn an seine Grenzen stoßen, was als kognitive Überlastung bezeichnet wird 

Damit das Gehirn arbeiten kann und genug Anregungen hat, um sich mit dem Material zu beschäftigen, jedoch nicht überlastet ist, sollten bei der Gestaltung und Umsetzung ein paar Punkte berücksichtigt werden und die Inhalte Arbeitsgedächtnis-freundlich gestaltet werden. 

Kognitive Überlastung, iStock.com,  Kudryavtsev Pavel, nicht unter freier Lizenz 

Kognitive Aktivierung 

Das Konzept der kognitiven Aktivierung basiert auf kognitiv-konstruktivistischen Lerntheorien und hat zum Ziel, ein tieferes Verständnis der Lehrinhalte zu fördern (vgl. Lipowsky, 2015).

Durch kognitive Aktivierung entwickeln Lernende ein umfassenderes Verständnis der Lehrinhalte (vgl. Hardy et al., 2006; Mayer, 2004), was sich in ihrer Fähigkeit zeigt, gedankliche Verbindungen zwischen Fakten, Prozeduren und Ideen herzustellen (vgl. Hiebert und Carpenter, 1992).

E-Learning-Angebote beinhalten unterschiedliche Möglichkeiten, um Teilnehmende zu kognitiver Aktivität anzuregen (Punkte nach Herbert et al. 2020): 

  • Auswahl der Lerninhalte: 
    Die Lerninhalte sollten den individuellen Voraussetzungen der Lernenden entsprechen (vgl. Baumert et al., 2010) und auf ihrem vorhandenen Wissen aufbauen (Greeno, 2006). In technischen Umgebungen kann dies durch Adaptivität erreicht werden.
     
  • Kognitiv anregende Aufgaben: 
    Hiebert und Grouws (2007) betonen, dass Lernende ein tieferes Verständnis des Lernstoffs entwickeln, wenn sie sich aktiv damit auseinandersetzen und die inhaltlichen Zusammenhänge eigenständig erschließen müssen. Daher sollten Aufgaben herausfordernd sein und die Lernenden animieren, ihr Vorwissen zu aktivieren und zu hinterfragen. (vgl. Baumert et al., 2010; Lipowsky et al., 2009).
     
  • Anregungen, um die Lerninhalte zu verarbeiten: 
    Die Lernumgebung sollte die Teilnehmenden dazu anregen, die Inhalte zu verarbeiten, zu reflektieren und zu diskutieren (vgl. Brophy, 2000). Auch Maßnahmen, die die Selbstreflexion und  das selbstgesteuerte Lernen anregen, unterstützen das Lernen (vgl. Lipowsky und Bleck, 2019).

Kognitive Überlastung, iStock.com,  Kudryavtsev Pavel, nicht unter freier Lizenz 

Woran lässt sich die kognitive Aktiviertheit der Lernenden erkennen? 

Die kognitive Aktiviertheit lässt sich in digitalen Settings meist weniger leicht erkennen als in analogen Lehr-Lern-Settings und in asynchronen noch weniger als in synchronen. Die folgenden Aspekte können einen Hinweis auf die Aktiviertheit geben, die sich entweder durch eine aktive Beteiligung oder Aufgabenergebnisse äußern können.

Sie können sich im Folgenden die Aspekte  anschauen, indem Sie den Regler unter dem Bild verschieben.

Eigene Darstellung nach Reusser, K., Lipowsky, & Pauli, C.: Eine kognitiv aktivierende Lernumgebung gestalten: PÄDAGOGIK, Heft 11/21, S. 6-13. 

 

Im Folgenden haben Sie die Möglichkeit, sich mit den Themen der kognitiven Überlastung und kognitiven Verzerrung zu beschäftigen. Klicken Sie hierfür auf die jeweilige Überschrift. 

Was ist kognitive Überlastung? 

Kognitive Überlastung tritt auf, wenn Lernende in einem bestimmten Zeitrahmen zu viele Informationen verarbeiten müssen, wie zum Beispiel durch eine große Menge an Informationen ohne eine klare Struktur oder Hierarchie.

 Es entsteht eine Diskrepanz zwischen diesen Anforderungen und den verfügbaren Aufmerksamkeitsressourcen. Dies kann zu Verwirrung, Frustration und sogar einem Verlust des Interesses am Lernen führen.

Um die kognitive Belastung beim E-Learning zu reduzieren, sollten Inhalte klar strukturiert und in kleinere Teile aufgeteilt werden. Bei synchronen Veranstaltungen sollten Lehrende sensibel darauf reagieren, wenn Lernende an ihre Grenzen stoßen, indem sie Lernziele erneut verdeutlichen, Abläufe klären und bei Bedarf Inhalte wiederholen.

Kognitive Verzerrung im E-Learning 

Müssen komplexe Inhalte vereinfacht und gefiltert werden, kann es im menschlichen Gehirn zu Fehlern beim Verarbeiten und Interpretieren kommen. Dieser psychologischen Effekt wird  kognitive Verzerrung, oder  „cognitive bias“, genannt. 

 Was eigentlich hilfreich sein soll, um das Gehirn zu entlasten, kann beim Lernen zu Problemen führen. Kommen Lernende an ihre Grenzen, tendieren sie dazu, den Fokus auf Informationen zu legen, die die eigene Meinung bestätigen, andere Personen und Faktoren für eigene Schwierigkeiten verantwortlich zu machen und davon auszugehen, dass andere die eigene Haltung und Meinung teilen.

Es gibt unterschiedliche Formen der „cognitive biases“. Für die Gestaltung von Online-Kurse sind vor allem die folgenden Punkte relevant: 

  • Unsere Wahrnehmung hat Grenzen, wodurch wichtige Informationen oft übersehen und aussortiert werden können. 
  • Beim Streben nach Sinn kann das Gehirn in Illusionen verfangen sein. 
  • Schnelle Entscheidungen können zu schlechten oder fehlerhaften Ergebnissen führen. 

Eine Liste der unterschiedlichen "cognitive biases" finden sich in diesem Artikel von  John Szramiak.


Referenzen

Baumert, J., Kunter, M., Blum, W., Brunner, M., Voss, T., Jordan, A., Klusmann, U., Krauss, S., Neubrand, M., & Yi-Miau, T. (2010). Teachers’ mathematical knowledge, cognitive activation in the classroom, and student progress. American Educational Research Journal, 47(1), 133–180. 

Benson, B. (2016). Cognitive bias cheat sheet –  An organized list of cognitive biases because thinking is hard. Verfügbar unter: https://betterhumans.pub/cognitive-bias-cheat-sheet-55a472476b18#.axuaup24z  (zuletzt abgerufen am 14.02.2024) 

Brophy, J. (2000): Teaching. In: Educational practices series, Bd. 1. 

Cherry, K. (2022). What Is Cognitive Bias? Verfügbar unter: https://www.verywellmind.com/what-is-a-cognitive-bias-2794963  (zuletzt abgerufen am 14.02.2024) 

Greeno, J. G. (2006). Theoretical and practical advances through research on learning. In Y. L. Green, G. Camilli, P. Elmore, A. Skukauskaite & E. Grace (Hrsg.), Handbook of complementary methods in education research (S. 795–822). Washington DC: American Educational Research Association. 

Hardy, I., Jonen, A., Möller, K., & Stern, E. (2006). Effects of instructional support within constructivist learning environments for elementary school students’ understanding of „floating and sinking.“. Journal of Educational Psychology, 98(2), 307–326. 

Herbert, B.; Schweig, J. (2020):  Erfassung des Potenzials zur kognitiven Aktivierung über Unterrichtsmaterialien im Mathematikunterricht. In: ZfE 24, S. 955–983.

Hiebert, J., & Carpenter, T. P. (1992). Learning and teaching with understanding. In D. A. Grouws (Hrsg.), Handbook of research on mathematics teaching and learning (S. 65–97). New York: Macmillan. 

Hiebert, J., & Grouws, D. A. (2007). The effects of classroom mathematics teaching on students’ learning. In F. K. Lester (Hrsg.), Second handbook of research on mathematics teaching and learning (1. Aufl., S. 371–404). Charlotte: IAP. 

Lipowsky, F. (2015). Unterricht. In E. Wild & J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 69–105). Berlin: Springer. 

Lipowsky, F., & Bleck, V. (2019). Was wissen wir über guten Unterricht? – Ein Update. In U. Steffens & R. Messner (Hrsg.), Unterrichtsqualität: Konzepte und Bilanzen gelingenden Lehrens und Lernens (Bd. 3). Münster: Waxmann. 

Mayer, R. E. (2004). Should there be a three-strikes rule against pure discovery learning? American Psychologist, 59(1), 14–19. 

Reusser, K., Lipowsky, & Pauli, C. (2021). Eine kognitiv aktivierende Lernumgebung gestalten. PÄDAGOGIK, Heft 11/21,  6-13.