Stadtführung

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Werte in der kulturellen Bildung

Florian Moring ist Student der Kulturwissenschaften und verdient sich nebenbei etwas Geld  als Stadtführer hinzu. Er hat sich im Vorfeld sehr intensiv mit der Stadtgeschichte auseinandergesetzt und an einer nach den Richtlinien des Bundesverbandes der Gästeführer in Deutschland e.V. durchgeführten Ausbildung teilgenommen. Dadurch weiß er, dass es den Reisenden vor allem darum geht, die schönsten und bedeutungsvollsten Orte seiner Stadt kennenzulernen und etwas über die Geschichten dahinter zu erfahren. Herr Moring kommt gut bei den Reisenden an, weil er versucht, etwas über die Eigenarten und Wünsche der Gruppe herauszufinden und ihnen dann passende „Insidertipps“ verrät, was sie zum Beispiel nach der Führung noch besuchen können oder wo sie gut essen gehen können. Ihm ist es aber auch sehr wichtig, durch seine Schwerpunktsetzung bei der Führung ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie die Geschichte der Stadt durch die umliegenden Länder geprägt wurde. Er möchte damit die lokalen Denkmäler in Beziehung zu weiteren europäischen Orten setzen und auf verbindende Werte hinweisen. Zusätzlich bindet er die Gruppe ein, indem er die Gäste Parallelen zu heutigen Ereignissen ziehen lässt. Nicht häufig, aber manchmal muss er an dieser Stelle jedoch mit abfälligen Kommentaren über die jeweiligen Länder rechnen. Solche Kommentare zu nutzen und daraus eine für die Gruppe gewinnbringende Diskussion abzuleiten, ist die nächste Herausforderung, der sich Florian Moring stellen möchte.  

Gespräch im Kurs

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Werte in der politischen Bildung

Brigitte Müller ist Politologin und gibt unter anderem Abendkurse an einer VHS zu politischen Themen. Bei allen ihren Kursen ist es ihr sehr wichtig, den Teilnehmenden deutlich zu machen, dass die Menschen hier eine sehr große Freiheit genießen können, zu jeder Zeit freie Entscheidungen für das Leben treffen und Meinungen frei kundtun können. Sie hat dies zu ihrer Grundhaltung in der Lehre gemacht. In einem Kurs mit dem Thema „Bürgerbeteiligung“ muss Frau Müller aber feststellen, dass die Verteidigung dieser Haltung an Grenzen stößt, als in einem Gespräch eine andere politische Haltung als ihre eigene deutlich wird. Zunächst versucht sie, ihre Gesprächspartnerin mit Argumenten von ihrer eigenen Meinung zu überzeugen.  Die Teilnehmerin reagiert darauf aber frustriert und zieht sich von einer aktiven Teilnahme zurück. Im Anschluss wird Brigitte Müller klar, dass sie die Teilnehmerin mit ihrem Verhalten in ihrer "Freiheit" einzuschränken versuchte. Nach dieser Erkenntnis versucht Sie, die Konfrontation aufzugeben und stattdessen nach Möglichkeiten zu suchen, wie die verschiedenen Wertvorstellungen der Teilnehmenden in den Kurs integriert werden können, um so einen fruchtbringenden Diskurs zu ermöglichen. 

Es ist hilfreich, wenn sich Lehrende klar werden, welche eigenen Werte hinter ihrer Arbeit und Schwerpunktsetzung liegen. Denn nicht immer reagieren sie so, wie es eine Situation vielleicht erfordert. Konfrontiert mit anderen Meinungen und damit dem Ausdruck einer bestimmten (Werte-)Haltung, die  mit der eigenen scheinbar in Konkurrenz steht, kann es schnell zu Auseinandersetzungen oder Rückzug kommen.  Nun ist es jedoch so, dass es neben der eigenen Freiheit natürlich auch  die Freiheit der anderen (und anders denkenden) Menschen geben muss. Bezogen auf den konkreten Fall der Meinungsfreiheit bei Frau Müller bedeutet das, dass mit der eigenen Meinungsfreiheit auch die Verantwortung zur freien Meinungsäußerung aller Mitmenschen einhergeht.

Warum es sich lohnt, Werte bei der Kursplanung explizit mit zu berücksichtigen

Die Berücksichtigung von Werten im Kurs kann aus verschiedenen Gründen lohnend sein: Zum einen geht es darum, Werte bewusst in der Kursgestaltung zu berücksichtigen, um damit zum Beispiel den persönlichen Bezug zum Kursthema herzustellen und eine kritische Auseinandersetzung zu fördern. Zum andern ist es hilfreich beim Auftreten eines Wertekonflikts Möglichkeiten des Umgangs zu kennen und somit wiederum zu einem Erkenntnisgewinn der Teilnehmenden beizutragen (vgl. Schrader 2016). Konflikten kann dadurch vorgebeugt werden, dass (widersprüchliche) Werte erkannt werden und ein moderierter Austausch über die eigene Haltung erfolgt.

Was sind Werte?

Die Handlungen von Menschen basieren auf Entscheidungen, denen Werte zu Grunde liegen. Selbst wenn sie zunächst so banal erscheinen, wie alltäglich getroffene Entscheidungen. Werte helfen, die eigene Welt in all ihren Facetten zu verstehen, sie schaffen Identität und Gemeinschaft. Sie können einer Nation zugrunde liegen oder sich sogar über eine Gemeinschaft von Staaten erstrecken, wie etwa die Europäische Union.

  • Werte sind jedem Individuum innewohnende Neigungen, die verantwortlich für die Bevorzugung einer bestimmten Handlung vor einer anderen Handlung sind. Gleichzeitig fordern Werte zu einer entsprechenden Beurteilung auf.
  • Das Wertekonzept lässt sich auf Gruppen und Gemeinschaften übertragen, die sich über gemeinsame Werte definieren.
  • Werte prägen Lebensstile, prägen Verhalten, motivieren zu Handlungen, schaffen Identität, unterstützen in Entscheidungssituation, stellen einen sinnhaften Bezug zum eigenen Handeln her.

Referenzen

Bergold, R. (2007). Ethische Bildung in der Erwachsenenbildung. In Bergold, R., Gisbertz, H., Kruip, G. (Hrsg.), Treffpunkt Ethik. Internetbasierte Lernumgebungen für ethische Diskurse (S. 23-45). Bielefeld: wbv media.

Burth, H.  (2010). Das Problem der Objektivität und das Scheitern der Fact-Value-Dichotomy. kursiv - Journal für politische Bildung  (4), S.  20-27.

Hohmann, R. (2010). Wie kann ethisches Lernen gefördert werden? In Gisbertz, H., Kruip, G. et al.  (Hrsg.), Ethisches Lernen in der  allgemeinen Erwachsenenbildung (S.  85-112). Bielefeld: wbv media.

Schrader, J. (2016). Was tun? Wertkonflikte in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 23 (2), S. 45–48.