Lüneburg

Lüneburg. Bild:  iStock.com, RSphotography, nicht unter freier Lizenz

Familie Fassbender ist für einen Tagesausflug nach Lüneburg gekommen. Der erste Anlaufpunkt für die vierköpfige Gruppe ist die Touristen-Information direkt am Rathaus im historischen Zentrum der Stadt. Nachdem sie das Auto geparkt haben, laufen die Vier durch die Fußgängerzone, vorbei an vielen Geschäften, die die Teenagertochter viel eher interessant findet, als eine Stadtführung. Mutter Fassbender weist ihren Mann begeistert auf die vielen alten Häuser hin, die teilweise sehr windschief aussehen. Vater Fassbender murmelt etwas, das sich anhört wie „olle Bruchbuden“. Der kleine Sohn trabt zufrieden mit und knabbert an einem Brötchen. An der Touristen-Info kaufen die Fassbenders Karten für die nächste Stadtführung, die in 10 Minuten startet. Es gibt verschiedene thematische Angebote, aber die Familie will hier keine Zeit mit Warten verschwenden, zum Mittag möchte man einkehren. Schließlich versammelt sich die Gruppe für die Führung um einen jungen Mann in einem langen Umhang mit Kapuze und mit einer Hellebarde in der Hand. Er stellt sich vor als Nachwächter aus dem mittelalterlichen Lüneburg und erzählt, wie er wohnt und was er in seinem Beruf als Nachtwächter erlebt.

Der Stadtführer in Lüneburg wählt einen kreativen und auch weit verbreiteten Ansatz: Um seine Zuhörerinnen und Zuhörer neugierig zu machen, präsentiert er sich im historischen Kostüm. Er spielt eine Rolle und erzählt eine Geschichte; nicht Geschichte im Sinne historischer Daten und Fakten, sondern seine Geschichte, die Geschichte aus dem Leben eines Menschen − kaum etwas interessiert Menschen mehr. Dass er nebenbei viele Einzelheiten über das Leben in einer mittelalterlichen Hansestadt vermittelt, fällt den Zuhörenden gar nicht auf. Non-formale oder informelle Lernsituationen erfordern andere Zugänge als formale. Die Lernenden erkennen sich nicht also solche, sondern suchen eigentlich Freizeitbeschäftigung. Sie möchten nicht in erster Linie etwas lernen oder wissen, sondern sie möchten etwas erleben. Sie sind freiwillig in dieser „Lernveranstaltung“ und können jederzeit gehen – oder aufhören zuzuhören. 

Führungen zu Denkmälern, Ausstellungen oder Naturphänomenen sollten nicht nur darin bestehen, dass den Zuhörerinnen und Zuhörern geballte Fakten präsentiert werden. Der Ansatz der Heritage Interpretation (dt.: Natur- und Kulturerbevermittlung) geht darüber hinaus. Sie hat zum einen kreative Methoden entwickelt, die dabei helfen, die Zuhörerinnen und Zuhörer mitzunehmen, zum anderen sucht eine Interpretation nach dem tieferen Sinn, nach einer über den einzelnen Gegenstand hinausgehenden Bedeutung. In diesem Lernpfad lernen Sie die Heritage Interpretation und ihre Grundsätze und Anwendung näher kennen. 


Disclaimer: 

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.