Die Beschäftigung mit Natur- und Kulturschätzen hat eine lange Geschichte. Im Umfeld der Nationalpark-Idee, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA entstand, kam auch die Frage auf, wie die Besonderheit einer Landschaft Besuchern und Besucherinnen zu vermitteln sei. Eng verbunden damit war der Gedanke, durch den Kontakt mit Naturphänomenen oder Kulturdenkmälern dieses besondere Erbe zu schätzen und zu erhalten. Diese Aktivität bezeichnet sich im Englischen als Heritage Interpretation. Die erste Organisation von Personen, die in diesem Feld tätig waren, gründete sich 1954 mit der Association of Interpretive Naturalists (AIN) in den USA.
Tildens Grundsätze fanden in den USA ein großes Echo besonders bei Nationalparks und anderen Landschaftsschützern, aber auch in botanischen Gärten und (Freilicht-)Museen. Seit 1970 gibt es an einigen US-Universitäten Natur- und Kulturinterpretation als Studienfach.
Der Ansatz der Heritage Interpretation ist in englischsprachigen Ländern sehr verbreitet, andere EU-Staaten kamen seit der Jahrtausendwende dazu. Im Jahr 2010 gründete sich Interpret Europe, das europäische Netzwerk für Heritage Interpretation, dem mehr als 300 Mitglieder aus über 40 Ländern angehören.
Heritage Interpretation und Erwachsenenbildung
Im Gegensatz zu den USA gab es in vielen europäischen Ländern bereits Konzepte zum non-formalen und informellen Lernen. Dennoch glauben die Vertreter und Vertreterinnen der Heritage Interpretation gute Argumente für ihr Konzept zu haben: Die Vermittlung tieferliegender Bedeutung steht im Zentrum dieses Ansatzes. Es geht um mehr als nur das Aufzählen von Daten und Fakten zum vorgestellten Werk oder Objekt. Eine qualitätvolle Kultur- oder Naturerbe-Vermittlung soll vier grundlegende Elemente herausarbeiten:
- Wahrnehmbare Phänomene in Erfahrungen verwandeln
- Eine tiefere Bedeutung erschließen
- Achtung für Natur- und Kulturerbe fördern
- Resonanz bei Besuchern und Besucherinnen erzeugen
Mit dem Bezug zu den Erfahrungen der Besucherinnen und Besucher bietet die Heritage Interpretation Anschluss an aktuelle Empfehlungen der UNESCO zum Lebenslangen Lernen. Erfahrungslernen spielt im UNESCO-Programm "Bildung für nachhaltige Entwicklung" eine wichtige Rolle bei der Umsetzung. Dieser Ansatz ist nicht ohne die umfassende Beteiligung der Lernenden denkbar. Ohne den Einbezug der Besucherinnen und Besucher ist es auch nicht möglich, bei ihnen Resonanz auf das Erlebte hervorzurufen. Angebote der Heritage Interpretation richten sich nicht nur an Touristen und Touristinnen, auch die Anwohner und Anwohnerinnen und örtliche Communities im Umfeld von Kultur- oder Naturerbestätten sind angesprochen. Sie sind einerseits möglicherweise interessiert daran, diese besser kennenzulernen, andererseits können sie Besucherinnen und Besuchern eventuell spannende Zugänge zu einem Denkmal oder einer Landschaft eröffnen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Heritage Interpretation in der Erwachsenenbildung mit verschiedenen Bereichen verbinden: nicht nur mit dem "klassischen" Besuch von kulturellen Denkmälern oder Naturparks, sondern zum Beispiel auch mit Veranstaltungen zur politischen Bildung.