Selbst wenn ein Weiterbildungsangebot über einen längeren Zeitraum in einer festen Kursgruppe mit einer einzelnen Lehrperson durchgeführt wird, lernen sich die Teilnehmenden nur im professionellen Kontext kennen. Die Kursleitung als individuelle Person steht unter ständiger Beobachtung und muss ihr Handeln entsprechend ausrichten. Selbst wenn sie ihrem eigenen Anspruch gerecht wird und fachlich und menschlich kompetent auftritt, hat sie es wiederum mit Individuen in der Kursgruppe zu tun. Diese stellen allesamt durch Erfahrung, Herkunft oder persönliches Interesse andere Erwartungen, Ansprüche und Anforderungen an das Weiterbildungsprogramm und damit auch an die Lehrkraft.

In diesem Lernabschnitt geht es um Sie als Lehrperson als möglichen Problemauslöser im Lernprozess. Im Folgenden zeigt die Kurssituation um Lehrperson Sebastian Lehmann und Teilnehmer Jakob Reiser, wie die Lehrperson trotz guter Absichten Lernwiderstände auslösen und den Lernprozess hemmen kann.

Strichzeichnung: Dozent Sebastian Lehmann

Sebastian Lehmann ist schon ein wenig stolz auf sich: Eigentlich hatte er zum Kursinhalt aufwändigen Medieneinsatz geplant und das bereits im Kurs vorgestellt. Schnell hat er aber gemerkt, dass eine Teilnehmerin mit dem Medieneinsatz so gar nichts anfangen konnte und darauf sein Konzept komplett umgekrempelt. Ihre verzweifelte Miene ist nun einem zufriedenen und zustimmenden Ausdruck im Gesicht gewichen. Er denkt sich: „Gut, dass mir ihre Überforderung aufgefallen ist, sonst hätte sie unser Lernziel sicher nicht erreichen können.“

Auf der einen Seite steht der professionelle Auftritt der Lehrperson:

  • Ist die Lehrperson gut vorbereitet?
  • Geht die Lehrperson strukturiert vor?
  • Geht die Lehrperson gut auf die Teilnehmenden ein?
  • Kann die Lehrperson alle Teilnehmenden erreichen/abholen?
  • Werden mit Hilfe der Lehrperson vorher aufgestellte Lernziele erreicht?
  • Wie geht die Lehrperson mit Problemen um?
  • Setzt die Lehrperson sinnvolle Methoden ein?
Strichzeichnung: Teilnehmer Jakob Reiser

Jakob Reiser ist verärgert. Strukturiertes Vorgehen ist für ihn unglaublich wichtig und Sich-an-Absprachen-Halten eine Sache von Professionalität und Verlässlichkeit. Das Kurskonzept, das Kursleiter Sebastian Lehmann vorgestellt hat, war stimmig und interessant. Nun hat er einfach alles wieder umgeschmissen und alle Ankündigungen sind hinfällig. Für Jakob Reiser geht dieses Vorgehen gar nicht.

Auf der anderen Seite steht die persönliche Sicht der Teilnehmenden auf die Lehrkraft:

  • Erinnert die Lehrperson ein Kursmitglied an jemand anderes?
  • Wie ist die Erfahrung der Teilnehmenden mit früheren Kursleitenden?
  • Ist die Lehrperson den Teilnehmenden sympathisch? (Aussehen, Dialekt, Ausstrahlung)
  • Erfüllt die Lehrperson die Erwartungen der Teilnehmenden?

Ist ein Kursmitglied subjektiv der Meinung, die Lehrkraft erfülle eine oder mehrere Anforderungen nicht oder nur unzulänglich, kann Unmut gegenüber der Lehrperson entstehen, was im schlimmsten Fall Auswirkungen auf den Lernprozess hat und zu Lernwiderständen führt.

Häufig bemerken wir es, wenn andere Menschen Schwierigkeiten mit uns haben. Insbesondere, wenn wir eine Lehrperson sind und unsere Teilnehmenden von und mit uns lernen sollen, machen sich Widerstände schnell bemerkbar. Im Zwischenmenschlichen ist es ganz natürlich, dass es auch mal zu Schwierigkeiten kommt. Häufig kann keiner der Beteiligten sagen, woher die Schwierigkeiten rühren. Das ist aber auch nicht immer notwendig. Werden den Beteiligten die Schwierigkeiten bewusst, hilft das, den Blick auf die anderen zu verändern. Ein veränderter Blick ermöglicht wiederum Offenheit, Toleranz und Empathie. Lesen Sie dazu das folgende Gedicht:

 

Du kennst meinen Namen,
doch nicht meine Geschichte.
Du hast gehört, was ich gemacht habe,
doch nicht was ich durchgemacht habe.
Du weißt, wo ich bin,
doch nicht woher ich komme.
Du siehst mich lächeln,
doch du weißt nicht, wie ich gelitten habe.
Verurteile mich nicht,
denn meinen Namen zu kennen, bedeutet nicht, mich zu kennen. 

Autorenschaft unbekannt