Lässt sich Lernen durch entsprechende Bedingungen optimieren und lassen sich Lernwiderstände verhindern? Ja und nein. Lernwiderstände sind mehr als nur ein Ausdruck persönlicher Einstellungen und Unlust. Eine Lehrkraft kann die Rahmenbedingungen und Methoden so wählen, dass sie das Lernen unterstützen, doch trotzdem können Lernwiderstände entstehen.

Mit Lernwiderständen umgehen

Im Folgenden finden Sie ein paar methodische Vorschläge und praktische Tipps, wie Sie mit einem Lernwiderstand professionell und souverän umgehen können.

 

Grimmiger Smiley

Der „negative Blick“

Es kann helfen, wenn Sie im ersten Schritt nach der Wahrnehmung eines Lernwiderstandes zunächst einmal einen „negativen“ Blick einnehmen. Das bedeutet, Sie beißen sich nicht am Verlangen fest, eine „Lösung“ für das „Problem“ zu finden, sondern rücken den Widerstand als solchen in den Mittelpunkt. Dadurch werden Gründe für das Lernen und Nicht-Lernen sichtbar und Lernende werden als Individuen wahrgenommen. Das führt wiederum zu einem offenen Blick auf die Lernsituation, aus dem „negativen“ Blick wird eine positive Erkenntnis und dadurch ergeben sich möglicherweise schon erste Ansätze, wie Lernen doch noch gelingen kann.

 

Sprechendes Emoticon

Gespräch auf Metaebene

Wenn Sie in Ihrer Gruppe Widerstände bemerken, sprechen Sie diese offen an. Fragen Sie die Teilnehmenden nach ihren Gedanken und bleiben Sie auf der Metaebene. So können größere Zusammenhänge sichtbar werden. Oftmals hängen sich Lernende an Details auf, sind zum Beispiel von neunmalklugen Kursmitgliedern genervt, und bemerken erst in der übergeordneten Diskussion, dass sie eigentlich vom Kursinhalt überfordert sind.

 

Ratloser Smiley

„W-Fragen“ stellen

Stellen Sie im Gespräch möglichst „W-Fragen“ (wer, wie, was, warum, …). Dadurch bekommen Sie als Lehrperson mehr Informationen als durch Ja-/ Nein-Fragen und können Zusammenhänge und Abhängigkeiten schneller erkennen und bewerten.

 

Emoticon mit Doktorhut

Lernende zu Experten machen

Auch wenn sich die Lernenden oft selbst nicht bewusst darüber sind, warum sie im Lernprozess nicht weiterkommen, stehen sie der Antwort doch am nächsten. Helfen Sie den Teilnehmenden, Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lernwiderstände zu werden, indem Sie allgemein über Lernwiderstände und den Umgang damit aufklären. So können Ihre Kursmitglieder die eigene Situation reflektieren und herausfinden, was ihnen zur Auflösung des Widerstandes helfen könnte.

 

Hand-Emoticon, das das ok-Zeichen macht

Bedingungen optimieren

So wie ein Lernwiderstand zu Störungen im Kursablauf führen kann, so können auch Störungen des Kursverlaufs Lernwiderstände auslösen. Optimieren Sie die Lernbedingungen und verhindern Sie Störungen, um den Lernprozess positiv zu beeinflussen. Entwickeln Sie zum Beispiel mit Ihrer Kursgruppe klare Kursregeln, machen Sie regelmäßig Pause, um die Konzentrationsfähigkeit aller aufrecht zu erhalten. Denken Sie aber auch an kleine Dinge, wie zum Beispiel ein kurzes Durchlüften oder an das rechtzeitige Anschalten des Lichtes in den Abendstunden.

 

Arm-Emoticon, das die Muskeln spielen lässt

Widerständen vorbeugen

Für Sie als Lehrperson besteht die Herausforderung darin, das eigene Handeln immer wieder zu reflektieren und anzupassen. Schließlich müssen Sie Inhalte, Methoden und Rahmenbedingungen so auswählen und vorbereiten, dass manche Widerstände bereits im Vorfeld verhindert werden können.

 

Schüßler bringt noch einmal auf den Punkt, dass Planung und Bedarf nicht immer zusammen passen: "Da die Teilnehmenden selbst über umfangreiches Alltagswissen verfügen, haben sie den Lerninhalt bereits auf eine ganz eigene Weise strukturiert, die möglicherweise andere Schwerpunktsetzungen und Analyseergebnisse impliziert als die didaktische Planung." (Schüßler 1998, S.326)  Lehrende sollten deshalb flexibel agieren und ihre didaktischen Planung möglichst „durchlässig“ gestalten.

Wenn Sie der Kursgruppe Lernstrukturen anbieten, die jedem Mitglied individuelles und selbstbestimmtes Lernen ermöglichen, dann können Sie so ebenfalls Widerstände reduzieren. Lernen scheint für Lernende einfacher und attraktiver zu sein, wenn der Lerninhalt für sie wichtig und realistisch ist. Suchen Sie daher regelmäßig das Gespräch mit Ihrer Kursgruppe. Dadurch können Sie Ihren Kursinhalt immer an das vorhandene Wissen und die Erfahrungen der Teilnehmenden anpassen und ihnen damit helfen, Querverbindungen zu Bekanntem zu finden.

Zusammenfassung

Häcker fasst es wie folgt zusammen: "Damit wird deutlich, dass Professionalisierung nicht an der Person vorbei bzw. nicht über sie hinweg, sondern immer nur gemeinsam mit der Person als ein Lernen der Person erfolgen kann“ (Häcker 1999, S. 264).

Arnold zieht deshalb das folgende Fazit: "Lernwiderstände sind keine objektiv zutage tretenden Lernstörungen. Sie sind vielmehr (auch) Ergebnis bzw. Replik auf das eigene didaktische Handeln. Dieses gilt es offener, „widerstandsfreundlicher“ und reflexiver zu gestalten. Dabei ist darauf zu achten, dass durch das eigene didaktische Handeln die Aneignungslogik der Lernenden nicht unterdrückt und der Widerstand als Ausdruck tief verwurzelter Emotionen berücksichtigt wird."  (Arnold 2000, S. 25)

Deutlich wird bei all diesen Punkten, dass Lehrenden mehr und mehr die Rolle von Lernberatern oder Lernbegleitern zukommt.


Vertiefende Inhalte

Lernwiderständen in digitalen Lehr-Lern-Settings vorbeugen

Beim digitalen Lehren und Lernen ist es schwieriger, Schwierigkeiten und Lernwiderstände zu erkennen. Sinnvoll ist es deshalb, dass Lehrende 

  • wissen, ob und woran Teilnehmende arbeiten,
  • regelmäßig erfragen, ob Teilnehmende mir den Inhalten und den Aufgaben zurechtkommen,
  • Methoden finden, um Teilnehmende bei Schwierigkeiten zu unterstützen und
  • die Ursachen für Schwierigkeiten und Lernwiderstände herausfinden: Ist es Unlust, der Wunsch nach mehr selbstgesteuertem Lernen, fehlende Lernerfolge, das Thema an sich…? Und dann sollten Sie schauen, wie damit gemeinsam umgegangen werden kann.

 Deshalb ist es hilfreich, immer wieder in den Austausch zu gehen und herauszufinden, was die Teilnehmenden brauchen, um gut lernen zu können. 

 Da, wo dies möglich ist und die Teilnehmenden ausreichend informiert und vorbereitet sind, und die Struktur dafür gegeben ist, bietet sich selbstgesteuertes Lernen an, um Lernwiderständen vorzubeugen (vgl.: Schiersmann 2006, S.21, Siebert 2012, S.129). Teilnehmende haben so die Möglichkeit,  

  • sich selbst realistische Lernziele zu setzen,
  • flexibel unterstützende Angebote zu nutzen,
  • ihre Stärken und Schwächen kennen zu lernen,
  • ein positives Selbstbild zu entwickeln         und
  • selbstkritisch ihren Lernfortschritt zu evaluieren.

Referenzen

Schiersmann, C. (2006): Profile lebenslangen Lernens: Weiterbildungserfahrungen und Lernbereitschaft der Erwerbsbevölkerung. Bielefeld, wbv

Siebert, H. (2012): Lernen und Bildung Erwachsener (Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen - Grundlagen & Theorie). Bielefeld, wbv

Referenzen

Arnold, R., 2004. Identität und Emotion als Faktoren. Erkenntnisse aus der Lernwiderstandsforschung. In: DIE Zeitschrift 2/2000, S. 23-25.

Grell, P. & Ludwig, J. (2017). Lerngründe und Lernwiderstände. Zeitschrift für Erwachsenenbildung in Deutschland. 2017 (2), 130-131.

Häcker, T.: Widerstände in Lehr-Lern-Prozessen mit Erwachsenen. Eine explorative Studie zur pädagogischen Weiterbildung von Lehrkräften. Dissertation Kaiserlautern 1999

Huber, A. (2003). Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs mit Widerstand in erwachsenendidaktischen Veranstaltungen. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 2003 (2), 133 - 145.

Quilling, K. (2015). Lernwiderstände. Der DIE Wissensbaustein für die Praxis.  Verfügbar unter http://www.die-bonn.de/wb/2015-lernwiderstaende-01.pdf  (zuletzt abgerufen am 18.09.2019)

Schüßler, I.: Erwachsenenbildung im Modus der Deutung. Eine explorative Studie zum Deutungslernen in der Erwachsenenbildung. Dissertation Kaiserslautern 1998