Die meisten Menschen favorisieren bestimmte individuelle Methoden, um mit Anregungen, Reizen und Informationen umzugehen. Daher können Lernende unter sonst gleichen Bedingungen unterschiedliche Erfolge erzielen, wenn ihre bevorzugte Lernmethode nicht zur Verfügung steht. Ein Lernstil besteht aus einer Reihe von persönlichen Vorlieben, die die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen sowie teilweise die motivationale Struktur beeinflussen können (vgl. Nistor et al. 2008; Lehmann 2010). Lernstile sind von dem Begriff der Lerntypen abzugrenzen, die wissenschaftlich nicht belegt werden konnten (vgl. Schäfer, 2017; Lehmann 2010).

Gute Lehrende werden die verschiedenen Lernstile in der Gestaltung ihrer Weiterbildung, wenn möglich, berücksichtigen. Lernende, die ihren bevorzugten Lernstil gefunden haben, erleichtern sich das Lernen (vor allem für Prüfungen) damit. Die meisten Menschen bevorzugen jedoch keinen der genannten Lernstile einzeln, sondern nutzen Mischformen davon.

 

In der Literatur finden sich heute eine Vielzahl an verschiedenen Lernstil-Modellen.  Sie unterscheiden sich stark hinsichtlich  ihrer Praxisrelevanz, Qualität, Annahmen und Interessen und sind damit schwer vergleichbar.

 

Es ist kaum möglich, eine Weiterbildung so zu konzipieren, dass sie allen Lernstilen in gleicher Weise gerecht wird. Jedoch kann die Beschäftigung damit Lehrenden helfen, zu verstehen, dass Teilnehmende sich auf unterschiedliche Arten und Weisen mit Inhalten beschäftigen und so flexibler auf diese zu reagieren, wenn Lernschwierigkeiten auftauchen. Wenn sich Lernende mit dem Thema beschäftigen, können sie  besser verstehen, wie sie lernen, wie sie mit Ideen umgehen und warum sie sich in bestimmten Lernsituationen wohl oder unwohl fühlen.

Lernstil-Typologien

Seit dem frühen 20. Jahrhundert wird versucht, Lernstile zu identifizieren und Modelle zu entwickeln. Eine Metastudie (Coffield et al. 2004) hat insgesamt 71 Lernstil-Modelle identifiziert und miteinander verglichen.

Schulmeister et al. (2005, S. 2) schreiben zu Lernstil-Typologien: "Typologien von Lernern in der Pädagogik sind, ähnlich wie Persönlichkeitstypologien in der Psychologie, ideelle Abstraktionen. Die Unterscheidungen der Typen gelten nicht für die exakte Abgrenzung einzelner Individuen voneinander. Jeder Mensch trägt Mischformen in sich. Typologien stellen Zusammenfassungen vielfältiger Wirkungen zwischen Faktoren innerhalb eines komplexen Systems dar".

Das Lernstil-Modell nach Kolb

Kolbs Lernstil-Modell von 1981 ist eines der bekanntesten. Lernen basiert auf Erfahrungen und ist ein fortlaufender Prozess. Die Integration von neuem Wissen in bestehende Erfahrungen kann abstrakt oder konkret erfolgen, je nach persönlichen Vorlieben und Eigenheiten des Lernenden.

Kolbs Modell geht von zwei verschiedenen Dimensionen aus: Auf der einen Achse geht es um aktives Experimentieren und beobachtende Reflexion, auf der anderen Achse geht es um konkretes Erleben und abstrakte Begriffsbildung. Diese beiden Dimensionen werden als Koordinatensystem übereinandergelegt, sodass sich insgesamt vier verschiedene Lernstile ergeben: Akkommodierer, Divergierer, Assimilierer und Konvergierer.

 

 

Die Grafik zeigt das Lernstil-Modell nach Kolb.

                                                                                                                                          Das Lernstil-Modell nach Kolb, Bild: Eigene Darstellung

 

 

Im Folgenden können Sie sich vier Karten zu den Lernstilen anschauen. Wenden Sie die Karten, um die Rückseite zu sehen.

 

Lernstile nach Kolb, Bilder: Eigene Darstellung

Die vier Lernstiltypen nach Kolb können dabei helfen, bei der Planung von Weiterbildungen, Kursen oder Trainings zu prüfen, ob einer der Lernstile in der Konzeption zu stark betont und andere Lernstile dafür vernachlässigt wurden. Sinnvoll ist es zum Beispiel, sich während (oder nach) der Planung eine Notiz zu machen, für welchen Lernstil diese Weiterbildung, Einheit, Methode oder Übung besonders geeignet ist. Auf diese Weise wird schnell sichtbar, ob eventuell Menschen mit einem speziellen Lernstil „ausgeschlossen“ sind oder ihnen das Lernen besonders schwer gemacht wird. 

Je nach Zielgruppe einer Weiterbildung macht es aber gegebenenfalls auch Sinn, die Weiterbildung auf einen bestimmten Lernertyp oder bestimmte Lernertypen hin auszurichten.

Bei aller Eingängigkeit der Lernstile nach Kolb darf man jedoch nicht vergessen, dass jeder Mensch bis zu einem gewissen Grad jeden der vier Lernstile kennt und anwenden kann. Meist herrschen jedoch ein oder zwei Lernstile besonders stark vor, während zwei bis drei andere Lernstile eher schwächer ausgeprägt sind.


Referenzen

Coffield, F., Moseley, D., Hall, E. & Ecclestone, K. (2004). Learning styles and pedagogy in post-16 learning - A systematic and critical review. London: Learning and Skills Research Centre.

Fatzer, G. (1990). Ganzheitliches Lernen. Humanistische Pädagogik und Organisationsentwicklung. Paderborn: Junfermann.

Honey, P. & Munford, A. (1992). The Manual of Leaming Styles. Berkshire, Maidenhead: Peter Honey.

Kolb, D. A. (1981). Leaming Styles and Disciplinary Differences. In: Chickering, A. W. (Hrsg.), The Modem American College (S. 232-255). San Francisco: Jossey-Bass.

Kolb, D. A. (1984). Experimental Leaming. New Jersey: PrenticeHall.

Lehmann, R. (2010). Lernstile als Grundlage adaptiver Lernsysteme in der Softwareschulung.  Münster: Waxmann.

Nistor, N., Lerche, T. & Lehmann, R. (2008). Die lernprozessorientierte Adaptivität der Lernumgebungen.  Zeitschrift für E-Learning, Lernkultur und Bildungstechnologie, 3(3), 7–17. 

Schäfer, E. (2017). Welche Mythen existieren über das Lernen im Erwachsenenalter? In E.  Schäfer (Hrsg.), Lebenslanges Lernen. Kritisch hinterfragt (S. 1-17). Berlin, Heidelberg:  Springer.

Schulmeister, R.; Vollmers, B.; Gücker, R.; Nuyke, K. (2005): Konzeption und Durchführung der Evaluation einer virtuellen Lernumgebung: Das Projekt Methodenlehre-Baukasten. In: Jahrbuch Medienpädagogik 5. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Vertiefende Inhalte

Der Lernzyklus nach Kolb – Gute Rahmenbedingungen schaffen für verschiedene Lerntypen

Auf Basis der vier Lernertypen entwickelte der amerikanische Bildungstheoretiker David Kolb einen Lernzyklus. Dieser beruht neben den Lerntypen auf der Idee des erfahrungsbasierten Lernens von John Dewey, einem US-amerikanischen Philosophen und Pädagogen. Lernen setzt nach dieser Lerntheorie stets eine aktive und reflexive Auseinandersetzung mit konkreten Erlebnissen voraus. Erst die Reflexion, also das intensive Nachdenken über solche im Alltag auftretenden Problemsituationen, führt Dewey zufolge zu lehrreichen Erfahrungen und somit zur Erweiterung des Wissens und Könnens einer Person. Umgekehrt kann Lernen in formalen Bildungssituationen (also zum Beispiel in Weiterbildungen) nur dann effektiv sein, wenn das dort vermittelte abstrakte Wissen an konkrete individuelle Erfahrungen geknüpft wird.

Der Lernzyklus nach Kolb

Für Kolb ist Lernen ein ständig fortschreitender Prozess, bei dem zunächst Erfahrungen gesammelt und diese dann verarbeitet werden. Der gesamte Prozess durchläuft einen Zyklus von vier Phasen. Jedem Lerntyp wird in diesem Zyklus eine Lernphase zugeordnet, in der sich dieser besonders wohlfühlt. Trotzdem durchlaufen alle  Lernenden im Laufe des Prozesses alle vier Phasen.

 

 

Die Grafik zeigt den Lernzyklus nach Kolb.

Der Lernzyklus nach Kolb, Bild: Eigene Darstellung

 

  1. In Phase eins werden praktische Erfahrungen gemacht. Die Lernenden sollten offen sein für Neues und die neuen Erfahrungen ohne Vorurteile machen können.
  2. Das gedankliche Beobachten und die Reflektion folgt in Phase zwei. Der Lerngegenstand wird von verschiedenen Seiten betrachtet.
  3. In der dritten Phase wird das Problem definiert und nach einem Erklärungsansatz bzw. einer Theorie gesucht. Der Lernstoff soll dadurch fassbar gemacht werden.
  4. Die Theorie wird dann in der vierten Phase auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Durch aktives Probieren soll ein Lösungsansatz gefunden werden.

Aus diesen Ergebnissen entstehen neue Erkenntnisse und Erfahrungen und der Regelkreis beginnt von vorne. Lernende kombinieren nun diese vier Phasen auf verschiedene Weise miteinander, je nach individuellem Lernstil.

Der Lernzyklus wird grafisch meist als Kreis dargestellt, in der Praxis verläuft das Lernen jedoch eher spiralförmig, wobei jeder der vier Schritte in aufeinander aufbauender Form stets wiederholt und modifiziert wird.

 

Der Lernzirkel in der Weiterbildung

Setzen es sich Lehrende zum Ziel, die Leistungspotentiale der einzelnen Teilnehmenden festzustellen und anhand derer die Themen der Weiterbildung zu gliedern, ist es wichtig, die Lernstile der Lernenden zu kennen. So können Lehrende sicher sein, dass alle  Teilnehmenden nach ihren Vorstellungen und anhand ihrer Fähigkeiten schnell mit dem neuen Lerninhalt vertraut sind  und motiviert lernen. Konkret bedeutet das, dass alle Lernenden an dem für sie passenden Punkt innerhalb des Lernzyklus beginnen können.

Um dieses theoretische Konzept etwas anschaulicher zu machen, ist es hilfreich, es zu nutzen, um eine optimale Lernumgebung für verschiedene Lernertypen zu schaffen. So werden die Lernenden ermutigt, die erworbenen Kenntnisse bei der Problemlösung sowie der Entwicklung praktischer Fähigkeiten anzuwenden.

 

Checkliste: Die Lernumgebung für verschiedene Lernertypen anpassen

Die folgenden Punkte sind Beispiele dafür, wie sich die Lernumgebung für verschiedene Lernertypen anpassen lässt:

  • Bieten Sie in der Lernumgebung notwendiges theoretisches Hintergrundwissen in Form von sinnvoll unterteiltem und logisch aufgebautem Lernmaterial an.
  • Legen Sie das Lernziel jeder Lerneinheit  eindeutig fest.
  • Stellen Sie die notwendigen Hilfsmittel und Materialien zur Lösung der jeweiligen Aufgabe bzw. zum Erreichen des vorgegebenen Ziels zur Verfügung.
  • Stellen Sie sicher, dass der Zugang zu den Lernmaterialien bestenfalls jederzeit und von jedem beliebigen Ort möglich (zum Beispiel durch Online-Tools) ist.
  • Es kann sinnvoll sein, verschiedene Lehrmedien zu verwenden. Das können zum Beispiel    Dokumentdateien mit theoretischem Hintergrundmaterial, professionelle Tools, eine interaktive Trainingssoftware oder ähnliches sein.

Schulungsunterlagen müssen hierbei besonders gut vorbereitet sein, denn die eigenständige Steuerung und Organisation von Lernentscheidungen liegt dann in der Hand der Teilnehmenden.


Referenzen

Dewey, J. (1988). The Later Works of John Dewey, 1925–1953. In: Jo Ann Boydston (Hrsg.), The Later Works of John Dewey. Band 13. SIU Press.

Kolb, D. A. (1984). Experiential Learning. Prentice Hall, N.J.: Englewood Cliffs.