Der Abendkurs „Business English für Fortgeschrittene“ geht zu Ende. Der Raum ist leer. Die Kursleiterin rückt die Stühle und Tische wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück und packt ihre Materialien zusammen. Da geht die Tür wieder auf. Ein Teilnehmer ist zurückgekommen:

„Haben Sie noch fünf Minuten für mich?“ „Ja.“ „Also, es ist so, ich komme hier im Kurs immer ganz gut zurecht. Auch das mit dem Lesen von Zeitschriften klappt. Aber wenn ich mit Leuten ganz real reden soll oder E-Mails verfassen soll, dann fühle ich mich blockiert. Da fällt mir nichts mehr ein. Mir graust es schon vor dem nächsten Besuch der Kollegen aus dem Ausland in unserem Institut...“

Es ist Mittagspause bei einer Fortbildung für Kindertagespflegekräfte. Die Fortbildung besteht aus mehreren Wochenend- und Abendblöcken. Zum Abschluss müssen die Teilnehmenden eine schriftliche und eine mündliche Prüfung ablegen, um das Zertifikat und damit die Pflegeerlaubnis zu erhalten. Eine Teilnehmerin hat die leitende Dozentin um ein Gespräch gebeten. Sie ziehen sich in einen ruhigen Raum zurück. Die Teilnehmerin schaut zu Boden und beginnt etwas stockend zu sprechen: „Es fällt mir ziemlich schwer, Sie darauf anzusprechen. Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich ganz aussteige. Aber ich brauche das Zertifikat, die Gruppe ist sehr nett und ich lerne viel…“

Nach einer Weile sagt die Dozentin: „...aber?“ „Ja, aber... die Prüfung. Ich kriege das nicht hin. Wenn ich daran denke, kriege ich Panik. Das war auch schon früher in der Ausbildung mein größtes Problem. Wenn ich in der Prüfung war, fiel mir nichts mehr ein. Ich möchte den Kurs unbedingt abschließen. Aber ich kann an der Prüfung nicht teilnehmen. Kann ich trotzdem irgendwie das Zertifikat bekommen?“

Ein Teilnehmer einer beruflichen Umschulungsmaßnahme bittet um einen Klärungstermin bei einem der Trainer. Er möchte für sich klären, was er beruflich machen kann und will. Er hat in seinem Heimatland bereits eine Ausbildung gemacht und in den letzten Jahren auch eine Zeit lang in diesem Beruf gearbeitet. Die Ausbildung wird hier jedoch nur mit einer erneuten staatlichen Prüfung anerkannt. Diese Prüfung hat er jedoch nicht und damit hat er genau genommen keinen beruflichen Abschluss. Zuletzt hielt er sich mit Aushilfstätigkeiten und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über Wasser. Aus der Mitarbeit in einem Foto- und Werbestudio ist eine freiberufliche Projektarbeit erwachsen. Nach einigen Versuchen, eine Ausbildung oder ein Studium im Bereich graphische Gestaltung zu beginnen, hat er nun Sorge, dass seine Möglichkeiten immer geringer werden. Der Trainer fragt ihn: „Das ist doch prima, dass Sie sich weiterbilden wollen. Wo liegt die Schwierigkeit?“ „Na ja, ich habe nie wirklich etwas zu Ende gemacht, obwohl mir das schon immer wichtig war. Ich habe Angst davor, wieder etwas zu beginnen und dann nicht zu Ende zu bringen.“

Die beschriebenen Beispiele machen deutlich, dass es im Lehr- und Trainingsalltag zu Situationen kommen kann, in denen es darum geht, auf persönliche Lebensumstände, Fragen und manchmal auch Probleme in einer Weise zu reagieren, die dem Gegenüber ganz individuell hilft, etwas zu klären und vielleicht sogar zu bewältigen. Dieses Vorgehen wird als „Beratung“ bezeichnet.

Referenzen

Knoll, J. (2008). Lern- und Bildungsberatung, Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: wbv Media.

Maier-Gutheil, C.; Nierobisch, K. (2015). Beratungswissen für die Erwachsenenbildung. Bielefeld: wbv Media.

Schiersmann, C. (2011). Bildungs- und Berufsberatung neu denken. In: Hammerer, M.; Kanelutti, E.; Melter, I. (Hrsg.). Zukunftsfeld Bildungs- und Berufsberatung – Neue Entwicklungen aus Wissenschaft und Praxis (S. 81-98). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.