Lerntransfer

Lernen ist ein Prozess, der Menschen ihr Leben lang begleitet. Der Alltag stellt Einzelne immer wieder vor neue Herausforderungen. Daher entspringt die Teilnahme an einer Weiterbildung oft dem Wunsch, sich neue Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen oder auf bestehenden Kenntnissen aufzubauen, die Prozesse im Alltag erleichtern, oder auch einfach nur einem persönlichen Interesse nachzugehen und etwas Neues zu entdecken. Auch die Arbeitswelt fordert Berufstätige zu einer stetigen persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und Anpassung an den Markt auf. Das erworbene Wissen muss kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt werden, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben und mithalten zu können.

 

Das Bild zeigt vier Situationen, in denen Seminarteilnehmende das im Seminar Erlernte im Berufsalltag anwenden.

Lerntransfer, Bild: Eigene Darstellung

 

Damit sich der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Teilnehmenden in der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung auch wirklich lohnt, ist es wichtig, dass Dozierende lernen, den Lernprozess so zu gestalten, dass sich das Erlernte  auf den Arbeitsalltag anwenden lässt, was auch unter dem Begriff Lerntransfer bekannt ist:  ein „psychosozialer Prozess“, der dem Transfermanagement-Experten Stefan Lemke zufolge „[…] die Aufnahme und Übertragung von in einem Seminar – oder (allgemeiner) Lernsituation Gelernten auf eine Anwendungssituation umfasst, wobei diese nicht notwendigerweise mit der Anwendungssituation identisch sein muss (Generalisierung)“. Der Transferprozess umfasst nach Lemke außerdem alle Maßnahmen, die in der Vorbereitungs-, Durchführungs- und Nachbereitungsphase für eine erfolgreiche innerbetriebliche Umsetzung notwendig sind. 

 

Das 3-Phasen-Modell

Der Lerntransfer in der Erwachsenenbildung findet in drei Phasen statt: In der Vorbereitungsphase werden alle für die Bildungsmaßnahme relevanten Entscheidungen getroffen und das Seminardesign entworfen. In der innerbetrieblichen Weiterbildung geht der Weiterbildung auch bestenfalls eine Bedarfsanalyse voran, in der genau ermittelt wird, welche fachbezogenen Kompetenzen und Fähigkeiten von den Mitarbeitenden erworben werden sollen. „Bei der konkreten Durchführung der Maßnahmen – ob dies nun durch den Betrieb selbst oder durch von diesem beauftragte Institutionen oder Personen geschieht – ist darauf zu achten, dass im Vorfeld geprüft wird, ob die Vorbereitungen angemessen erfolgten und der Planung entsprechen“, erklärt der Organisations- und Wirtschaftspsychologe Lutz von Rosenstiel. Das zu erwerbende Wissen wird dann in dem von einem oder mehreren Lehrpersonen durchgeführten Seminar in der Durchführungsphase vermittelt und anschließend in der Nachbereitungsphase auf die Alltagspraxis übertragen. Jede dieser drei Phasen ist mit verschiedenen Handlungsfeldern verbunden und erfordert die Teilnahme aller am Lerntransfer Beteiligten. Zu den Beteiligten zählen die Teilnehmenden, der Trainer oder die Trainerin und die Bildungseinrichtung und, je nachdem, ob es sich beispielsweise um eine Teilnahme eines Freischaffenden auf eigene Initiative oder um eine innerbetriebliche Maßnahme handelt, auch die Organisation und die  Vorgesetzten.

 

Das Bild zeigt das Transfer-3-Phasen-Modell.

Transfer in 3 Phasen, Bild: Eigene Darstellung

 

Auch wenn das eigentliche Seminar in der Durchführungsphase stattfindet und die Lehrperson erst in dieser Phase mit den Lernenden in Kontakt tritt, sind die Vorbereitungs- und Nachbereitungsphasen genauso wichtig für sie, denn eine gute Vorbereitung wirkt sich auf eine erfolgreiche Durchführung aus und diese wiederum auf eine erfolgreiche Verlagerung in die Praxis. Da es sich beim Transfer um einen komplexen Prozess handelt, der von vielen sich bedingenden Einflussgrößen abhängig ist, bedürfen transferorientierte Seminare einer sehr detaillierten und zielgerichteten Planung, bei der auch mögliche Einflussfaktoren mitbedacht werden sollten.

Hinweis zu weiteren Lernpfaden

Falls Sie gern mehr über die Vorbereitungs- und Nachbereitungsphase erfahren möchten, kann der Lernpfad „Weiterbildungsmaßnahmen: erfolgreich vom Training zum Arbeitsplatz“ für Sie von Interesse sein.

Offene und firmeninterne Programme

Joachim Seitz, Maria Winterfeld und Linda Schwarz haben sich zu dem dreitägigen Seminar vom Kochexperten Anand Raj angemeldet mit dem Ziel ihren Wissensstand zu erweitern und neue Kompetenzen zu erwerben.

 

Das Bild zeigt den Koch Joachim Seitz vor dem Restaurant, in dem er angestellt ist.

 Koch  Joachim Seitz, Bild: Eigene Darstellung

 

 

Joachim Seitz ist als Koch in einem Restaurant in Köln tätig und besucht das Seminar auf Wunsch seines Chefs. Der Gastronomie-Betrieb, in dem er beschäftigt ist, möchte sich aktuellen Ernährungstrends anpassen und sein Angebot erweitern.

 

Das Bild zeigt Maria Winterfeld in ihrem Café.

Cafébesitzerin María Winterfeld, Bild: Eigene Darstellung

 

 

Maria Winterfeld ist Besitzerin eines kleinen Cafés in Aachen und interessiert sich für Ernährung. Da sie in ihrem Café immer wieder Gäste nach vegetarisch-veganen Alternativen fragen, möchte sie neue Rezepturen kennenlernen.

 

Das Bild zeigt die Kochbuchautorin Lisa Schwarz.

Kochbuchautorin Linda Schwarz, Bild: Eigene Darstellung

 

Linda Schwarz ist Ernährungsberaterin und schreibt gerade ein Kochbuch über Foodtrends. Für ihr Buch benötigt sie Informationen über vegetarisch-vegane Zubereitungsmöglichkeiten  aus erster Hand.

Offene Programme bieten viele Vorteile. Die meisten Kursbesucher und -besucherinnen melden sich auf eigene Initiative zu solchen Seminaren an und dies hat einen transferfördernden Effekt. Durch die Eigeninitiative nehmen sie sich als selbstbestimmt wahr und haben eine höhere Motivation, wenn sie den Seminarraum betreten. Bei ihnen ist die intrinsische Motivation hoch, das bedeutet, dass die Motivation aus ihnen selbst heraus wirkt, wie aus den oben genannten Beispielen deutlich wird. Es wirkt sich ebenfalls positiv auf den Lern- und Transfererfolg aus, wenn sie außerhalb ihres Unternehmens oder ihres alltäglichen Arbeitsumfeldes Lernmöglichkeiten wahrnehmen, in Kontakt mit anderen Teilnehmenden treten und Gelegenheit zum Austausch finden. Dies ist bei firmeninternen Programmen nicht der Fall, denn hier findet normalerweise kein Austausch mit Lernenden aus anderen Unternehmen statt.

In offenen Programmen besteht die Herausforderung für die Lehrperson jedoch darin, den Bedarfen aller Lernenden gerecht zu werden, da es hier im Gegensatz zu Firmenseminaren kaum möglich ist, ein einheitliches, auf die unterschiedlichen Arbeitssituationen zugeschnittenes Konzept anzubieten. Aus diesem Grund kommt der Anfangsphase des Seminars eine besondere Bedeutung zu. Mit dieser wollen wir uns im Folgenden näher beschäftigen.


Referenzen

Karg, U.  (2006).  Betriebliche Weiterbildung und Lerntransfer. Einflussfaktoren auf den Lerntransfer im organisationalen Kontext.  Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

Lemke, S. (1995). Transfermanagement. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie, hier S. 7,  zitiert in Karg, 2006, S. 72.

Von Rosenstiel, L. (2008). Qualitätssicherung in der betrieblichen Weiterbildung. Qualitätssicherung im Bildungswesen. Eine aktuelle Zwischenbilanz. Zeitschrift für Pädagogik, (53), 122-134, hier S. 130-131.