Eines ist klar: Wer mit einem Konflikt beschäftigt ist, kann sich nicht mehr auf das Thema und das Lernen konzentrieren. Störungen haben Vorrang – und sie nehmen sich diesen auch! Wenn Sie sich einer Konfliktsituation ausgesetzt sehen, kann es helfen, sich mit den Axiomen (=Grundsätzen) der Themenzentrierten Interaktion (TZI) zu beschäftigen.
Die Themenzentrierte Interaktion (TZI)
Die TZI ist ein Konzept zur Arbeit in Gruppen. Ihre Ziele sind soziales Lernen und die Förderung persönlicher Entwicklung. Die wesentlichen Grundsätze lauten: Autonomie, Wertschätzung, Grenzen erweitern. Eine der Grundannahmen der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth Cohn ist „Störungen haben Vorrang“ und meint: Störungen nehmen sich Vorrang. Cohn hat dazu geschrieben: "Das Postulat, dass Störungen und leidenschaftliche Gefühle den Vorrang haben, bedeutet, dass wir die Wirklichkeit des Menschen anerkennen; und diese enthält die Tatsache, dass unsere lebendigen, gefühlsbewegten Körper und Seelen Träger unserer Gedanken und Handlungen sind." Störungen den Vorrang zu geben, bedeutet im besten Falle auch, dem bzw. den Menschen und ihren Bedürfnissen Vorrang zu geben.
Wie wichtig dieses Axiom ist, sieht man beispielsweise in Gruppen- und Teambildungsprozessen. Dem Teambildungsprozess von Eric Tuckmann zufolge ist die Teambildung ein Entwicklungsprozess, der klassisch in vier, in der neueren Forschung auch in fünf Phasen unterteilt wird. Nach diesem Modell durchläuft eine Gruppe die folgenden Phasen: Orientierungsphase (forming), Konfrontationsphase (storming), Kooperationsphase (norming), Wachstumsphase (performing) sowie die Auflösungsphase (adjourning).
Das interessante an diesem Modell ist, dass die Phase der Konfrontation, in der Störungen und Konflikten auftreten können, immer wieder durchlaufen werden kann, beispielweise wenn Mitglieder aus einer bestehenden (Lern-)Gruppe austreten oder neue hinzukommen, wenn sich die Aufgabenstellung ändert oder die geschriebenen und ungeschriebenen Gruppenregeln neu ausgehandelt werden müssen. Das gemeinsame Lernen und Arbeiten verläuft dann holprig.
In einer Gruppe zu lernen, bedeutet, einen gemeinsamen Konsens über bestimmte Punkte zu finden. Dies kann bei den einen oder anderen Teilnehmenden zu Ärger und Frustration führen, vor allem dann, wenn Einzelne sich gezwungen fühlen, über vermeintliche Kleinigkeiten wie Fenster öffnen, Pausenzeiten oder Vorgehensweisen diskutieren zu müssen. Nicht selten stellen sie sich dann die Frage: „Muss ich mir über so etwas wirklich Gedanken machen? Kann ich, können wir, die Zeit nicht sinnvoller nutzen oder müssen wir uns wirklich um solchen Kinderkram kümmern?“
Die Frage muss jede und jeder für sich beantworten. Aber: Das besondere an der Konfrontationsphase (storming) ist, dass sich hier entscheidet, ob und wie die Lerngruppe in der kommenden Zeit gemeinsam lernt. Diese „Störung“ ist also existenziell für die Gruppe. Lehrende sollten in dieser Phase die Ziele vermitteln und aufzeigen, die es in und mit der Gruppe zu erreichen gilt. Für das gemeinsame Lernen einer Gruppe ist es wichtig, dass alle die anderen als einzigartige menschliche Wesen erkennen und anerkennen. Was für die eine vielleicht unsinnig, kleinlich und belanglos ist, ist für den anderen möglicherweise von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit.
In diesem Zusammenhang ist das Vierfaktorenmodell der themenzentrierten Interaktion hilfreich: Dieses beruht auf der Annahme, dass jede Gruppe von vier Faktoren bestimmt wird, wie die Grafik im Infokasten verdeutlicht.
Gemeinsam lernen und für Balance sorgen
Es ist die Aufgabe der Kursleitung, vor allem in der Storming-Phase dafür zu sorgen, dass die Gruppe in die Lage versetzt wird, gemeinsam zu lernen und dass es zu einer Balance zwischen den vier Faktoren kommt. Dies gelingt, wenn Sie die folgenden Aufgaben wahrnehmen:
Klicken Sie sich durch die folgende Bilderstrecke, um sich die Aufgaben der Kursleitung während der Storming-Phase anzeigen zu lassen.