Gerade schwierige und konflikthafte Situationen erfordern von  Lehrenden eine souveräne und professionelle Haltung, Lehrerfahrung und die Fähigkeit zur Reflektion des eigenen Konfliktverhaltens.

Professionalität und Professionalisierung in der Erwachsenen- und Weiterbildung

Allgemein lässt sich Professionalität definieren als die Ausübung eines Berufs unter Einhaltung bestimmter Standards. Kriterien sind zum Beispiel eine lange, spezialisierte Ausbildung, eine Orientierung hin zu den „Klientinnen und Klienten“ und eine autonome Kontrolle über die eigene Tätigkeit (Berufsethik).  

Erwachsenenbildung als Hauptberuf gibt es eigentlich erst seit den 1970er Jahren. Die Tätigkeit, Erwachsene etwas zu lehren, erfährt seit dieser Zeit einen Prozess der Professionalisierung. In der Pädagogik wird in diesem Zusammenhang häufig auf die Haltung von Lehrenden Bezug genommen, ohne dass diese näher definiert wird. Einen entsprechenden Versuch unternehmen Kuhl, Schwer und Solzbacher auf der Grundlage philosophischer, soziologischer, psychologischer und pädagogischer Forschung zu beruflichen Einstellungen und subjektiven berufsbezogenen Glaubenssätzen, Überzeugungen, Zielen und Intentionen und zu Lehrerkompetenzen (Kuhl, Schwer, Solzbacher, 2014). 

Basierend hierauf sehen sie als wesentliche Kennzeichen einer professionellen Haltung: 

  • Aufmerksamkeit: Überwachung des eigenen Tuns mit Sinn und Verstand 
  • Standfestigkeit und Kohärenz: Entscheidungen pädagogisch bewusst treffen 
  • Wahrnehmung: Integration eigener und fremder Gefühle und Bedürfnisse 

Für diese Haltung ist zum einen eine Ausbildung oder ein Studium hilfreich, zum anderen braucht es praktische Erfahrung. Gerade in schwierigen und konflikthaften Situationen müssen diese drei Bereiche gut zusammenwirken, um professionell handeln zu können. Viele Lehrende in der Erwachsenenbildung bringen viel Erfahrung und Fachwissen mit, es fehlt ihnen jedoch zum Beispiel an Wissen über Didaktik und Methodik sowie Kommunikation und Interaktion in und mit der Lerngruppe. Dieses Wissen können sie sich jedoch auch berufsbegleitend aneignen.

Das folgende kurze Video (1'30) zeigt eine Situation, die einigen Lehrpersonen bekannt vorkommen wird. 

 

Video: Eigene Darstellung, CC BY-NC-ND, CC BY-NC-SA 4.0 DE

 

In der im Video dargestellten Situation reagiert der Kursleiter menschlich statt professionell. Sein Verhalten, das auf einer Party relativ normal wäre, wird in seinem Kurs zum Problem. Gerade „Seiteneinsteigende“ in der Erwachsenen- und Weiterbildung haben oft nicht im Blick, dass sie als Lehrende eine Rolle übernehmen, für die eine professionelle Haltung notwendig ist. Doch wie sollte diese aussehen?

Achtsamkeit und Wertschätzung: Zwei wichtige Kompetenzen   von Lehrenden  in schwierigen Situationen

Zwei Kompetenzen sind besonders hilfreich, wenn es darum geht, schwierige und konflikthafte Situationen zu verbessern oder ihnen präventiv vorzubeugen: Achtsamkeit und eine wertschätzende Haltung.

Der Erziehungswissenschaftler Horst Siebert empfiehlt in seinen neun didaktischen Thesen und Prinzipien für die Erwachsenenbildung unter anderem Achtsamkeit: „Achtsamkeit beinhaltet wechselseitige Aufmerksamkeit, das Aufgeschlossen-Sein, auch die Toleranz, wenn man so will. Zuhören ist ein wichtiges Stichwort. In einer empirischen Untersuchung hat sich herausgestellt, dass leider Lehrende viel zu viel reden, statt den Teilnehmenden zuzuhören. Lehrt man achtsam, ist der Lehrstil ein anderer, ebenso die Haltung gegenüber den Teilnehmenden.“ (Siebert, 2015)

Alle sind gleich(wertig)! Genauso wie Lehrende haben Teilnehmende die unterschiedlichsten Erfahrungs- und Wissenshintergründe. Diese müssen Lehrende zunächst anerkennen können. Mit einer wertschätzenden Haltung ermöglichen sie es allen Teilnehmenden, sich entsprechend der persönlichen Voraussetzungen an der Veranstaltung zu beteiligen.

Das eigene Konfliktverhalten reflektieren 

Eine weitere wichtige Kompetenz von Lehrenden für schwierige Situationen ist die Selbstreflektion: Wie verhalte ich mich in unterschiedlichen Konfliktsituationen und wie förderlich beziehungsweise hinderlich ist dies für eine Verbesserung der Situation?  

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um das eigene Konfliktverhalten zu reflektieren. Hierfür eignen sich zum Beispiel die folgenden zwei Modelle: 

 

Konfliktstile nach Kenneth W. Thomas

Nach Kenneth W. Thomas (2002) lassen sich fünf verschiedene Konfliktstile unterscheiden. Das Modell unterscheidet zudem zwischen den folgenden zwei Dimensionen: 

  1. der Orientierung an den eigenen Bedürfnissen und
  2. der Orientierung an den Bedürfnissen anderer.

 

Konfliktstile nach Thomas. Eigene Darstellung

 

Orientiert sich jemand im Konflikt einzig an den eigenen Bedürfnissen und beachtet die Bedürfnisse, Wünsche und Interessen der anderen gar nicht, so lässt sich der Konfliktstil als „durchsetzungsorientiert“ beschreiben. Orientiert sich jemand umgekehrt nur an den Bedürfnissen der anderen, dann gibt diese Person  im Konflikt stark nach. Deshalb wird dieser Konfliktstil auch mit „Anpassen“ oder „Nachgeben“ bezeichnet. Ist eine Person weder an den eigenen noch an den Bedürfnissen der anderen interessiert, dann geht diese Person  dem Konflikt aus dem Weg. Dieser Konfliktstil ist also als Vermeidung zu charakterisieren. Wenn jemand versucht, die Bedürfnisse beider Parteien zu berücksichtigen und daran interessiert ist, dass sich irgendwo in der Mitte zu treffen, dann suche man einen „Kompromiss“. Und wenn eine Person davon ausgeht, dass ein Konflikt kein Nullsummenspiel ist, sondern dass es möglich ist,  beiderlei Interessen und Wünsche gleichermaßen zu erfüllen, dann geht es darum, gemeinsam zu gewinnen und einen Konfliktstil des win-win zu pflegen.  

Die meisten Menschen reagieren in Konflikten nicht immer gleich. Je nach Situation und Einschätzung der Lage können sie unterschiedliche Konfliktreaktionen zeigen. Es gibt jedoch meist einen Konfliktstil, der bevorzugt wird. 

Persönlichkeitstypen und ihre Bedürfnisse in Konflikten

Die Einteilung von Menschen in Persönlichkeitstypen kann uns helfen, uns selbst und andere besser einzuschätzen. Es gibt diverse Einteilungen und Vorgehensweisen, die in den unterschiedlichen Situationen hilfreich sein können. Was sie aber alle nicht sollten, ist Menschen damit zu „fixieren“ oder sie in eine Schublade zu stecken, so dass sie in ihren Handlungsfreiräumen eingeschränkt werden. Ein bekanntes Modell sind die Persönlichkeitstypen anhand des Wertekreuzes nach Riemann. Dieses Modell ist für Konfliktsituationen sehr hilfreich. Es ergeben sich hierbei anhand des Wertekreuzes vier verschiedene Persönlichkeitstypen, die entlang mehrerer Attribute einigermaßen deutlich festgemacht werden können. Innerhalb des Systems gibt es jedoch auch Mischformen.

Im Rahmen von Konflikten nutzen die jeweiligen Typen völlig unterschiedliche Bewältigungsstrategien, denn sie haben ganz individuelle Bedürfnisse in Konflikten. Diese Bedürfnisse sind auch in Lernsituationen und Lerngruppen relevant, denn hier kommen Menschen zusammen, die sich vorher meist nicht kannten und die nun gemeinsam lernen sollen. 

Klicken Sie für weitere Informationen in der folgenden Grafik auf die kleinen Informationskreise.

 

Persönlichkeitstypen und ihre Bedürfnisse in Konflikten nach dem Wertekreuz von Riemann. Eigene Darstellung

 

Die Auseinandersetzung mit dem Riemann-Modell ist für viele Gegebenheiten sinnvoll und spannend: Zum Beispiel für das Arbeiten in und mit Teams, aber vor allem in Konfliktsituationen lässt es sich gut anwenden. Die Themen Dauer und Wechsel sowie Nähe und Distanz spielen auch in Lehr-Lernsituationen eine große Rolle. 

Zwar sind Persönlichkeitstypen spannende Modelle für die Analyse von Konflikten oder das eigene Konfliktverhalten, doch sie bergen auch die Gefahr, in eine „Ich bin halt so“- oder „Sie oder er ist halt so“-Haltung zu verfallen. Dies wäre jedoch  wenig förderlich und keine gute Basis für eine gelungene Konfliktbearbeitung. Hier ist es wichtig, sich als Lehrperson selbst zu beobachten und zu schauen, ob ein solches „Schubladen-Denken“ vorliegt. Wenn dies der Fall ist, kann es im Konfliktfall schon helfen, sich dessen bewusst zu werden und die vorgefasste Meinung über eine Person ebenso bewusst in Frage zu stellen. 


Referenzen

Fuchs-Brüninghoff, E. (2001). Professionalität. In R. Arnold, S. Nolda & E. Nuissl (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenpädagogik (S. 260- 263). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.  

Kuhn, J., Solzbacher, C., Schwer, C. (2014). Professionelle pädagogische Haltung: Versuch einer Definition des Begriffes und ausgewählte Konsequenzen für Haltung. In C. Schwer, C. Solzbacher (Hrsg.), Professionelle pädagogische Haltung (S. 107-122). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. 

Riemann, F. (2019). Grundformen der Angst. München: Ernst Reinhardt Verlag. 

Siebert, H. (2015). Perturbation, Ermöglichungsdidaktik und Achtsamkeit. Verfügbar unter https://wb-web.de/material/lehren-lernen/perturbation-ermoglichungsdidaktik-und-achtsamkeit.html 

Thomas, Kenneth W. (2002): Introduction to Conflict Management: Improving Performance using the TKI, Consulting Psychologists Press.