Das Kennen der Motive eröffnet im Lehr- und Lerngeschehen ganz neue Handlungsspielräume. Wie aber können Motive überhaupt gemessen werden?

Die Lernenden einfach nach ihrer Motivation zu fragen klingt zwar verlockend, ist aber nicht sinnvoll. Zum einen sind Lernenden ihre Motive oft nicht bewusst bzw. sie können sie im aktuellen Moment nicht abrufen, da sie voll im Lerngeschehen vertieft sind. Zum anderen kann es sein, dass sie so antworten, wie sie denken, dass es gerade gewünscht ist.

Eine indirekte Methode, die Motivation zu messen, ergibt sich aus ihrer grundlegenden Funktion, in der Umwelt Gelegenheiten zur ihrer Befriedigung (oder zur Vermeidung befürchteter Ereignisse) zu suchen. Wie eine Person eine Situation wahrnimmt, welche Chancen und Gefahren sie darin zu entdecken meint, hängt demnach ganz maßgeblich von ihrer Motivstruktur ab. Es wird also nicht direkt die Art und Stärke der Motivation erfragt, sondern ihre Ergebnisse.

Motivdiagnostik mit dem Thematischen  Apperzeptionstest (TAT)

Die Tatsache, dass Motive die Wahrnehmung und Interpretation von sozialen Situationen beeinflussen, hat sich die Motivdiagnostik zu Nutze gemacht. Das Grundprinzip moderner Verfahren zur Messung von Motiven ist wie folgt: Man präsentiert Personen Bilder alltäglicher Lebenssituationen, lässt sie zu den Bildern Geschichten erzählen und versucht darüber herauszufinden, welche Anreizstrukturen sie in diesen Bildern zu entdecken glauben.

Ein konkretes Instrument dazu stellt der Thematische Apperzeptionstest (TAT) von Morgan und Murray (1935) mit Bildern mit leistungs-, anschluss- und machtthematischem Anregungsgehalt dar (vgl. Abbildung).

 


Beispielbild aus dem TAT, Abbildung: Smith, 1992, S. 636

 

 

Zugute kommt dem TAT-Verfahren, dass die Aufgabe der Teilnehmenden darin besteht, Geschichten zu erfinden; die wenigsten kommen dabei auf den Gedanken, dass von ihren Geschichten Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit gezogen werden, weswegen weder Blockaden entstehen noch sozial erwünschte Antworten gegeben werden. Ganz im Gegenteil sind die meisten Menschen davon überzeugt, dass es „das Bild“ ist, das die von ihnen erzählte Geschichte nahelegt, und dass ihr persönlicher Anteil bei der Gestaltung der Geschichte gering ist.

Die Vielfalt der Geschichten, die zu einem gegebenen Bild gegeben werden, zeigt jedoch, dass persönliche Faktoren dabei eine große Rolle spielen. Die Häufigkeit, mit der in TAT-Geschichten eine bestimmte Motivthematik auftaucht, ist ein direkter Indikator für die  Motivation der entsprechenden Person.

 

Zusammenfassung

Auch wenn wissenschaftlich gesehen das Verfahren in die Kritik gekommen ist, da seine Aussagekraft nicht den heutigen Gütestandards entspricht, und eher auf Fragebogenverfahren zur Messung von Motiven zurückgegriffen wird, kann das Verfahren als Bildgeschichtenübung leicht in die Weiterbildungspraxis integriert werden. So können Bilder mit sozialen oder beruflichen Schlüsselsituationen, die thematisch im Anschluss zu den Lerninhalten und -zielen des Kursangebots stehen, in Kursen genutzt werden, um die Motive der Teilnehmenden offen zu legen sowie Vorlieben für Lernsettings daraus abzuleiten.


Referenzen

Atkinson, J. W. (1958). Motives in fantasy, action, and society. Princeton, NJ: Van Nostrand.

Morgan, C. D. & Murray, H. H. (1935). A method for investigating fantasies: the thematic apperception test. Archives of Neurology and Psychiatry, 34, 289–306.

Siebert, H. (2006). Lernmotivation und Bildungsbeteiligung. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann.

Smith, C. P. (1992). Motivation and personality: Handbook of thematic content analysis. Cambridge: Cambridge University Press.

Langens, T., Schmalt, H. & Sokolowski, K. (2005). Motivmessung: Grundlagen und Anwendungen. In R. Vollmeyer & J. Brunstein (Hrsg.), Motivationspsychologie und ihre Anwendung (S. 72-91). Kolhammer: Stuttgart.