Begriffliche Konstruktionen wie „Mensch mit Migrationshintergrund“ bestimmen die Alltagssprache und Politik und damit weite Teile der Umwelt von Weiterbildungsorganisationen. Ihnen unterliegen oftmals auch Dozierende, Programmplanende oder Menschen in Leitungspositionen der Weiterbildung. Der Begriff Mensch mit Migrationshintergrund und seine Definition schaffen Realität in Förderbestimmungen, Statistiken und Pressemeldungen, an denen sich Weiterbildungsorganisationen orientieren bzw. teilweise orientieren müssen. Die kritischen Ansätze der Migrationsforschung legen daher nahe, begriffliche Konstruktionen zu hinterfragen und andere (Gegen-)Kategorien zu entwerfen, die inhaltlich besser zutreffen. So wäre es möglich, die Zielgruppe „Mensch mit Migrationshintergrund“ auszudifferenzieren bspw. durch Unterscheidungen wie „Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, vornehmlich die Länder X, Y und Z“, „Migrantinnen der so genannten Gastarbeitergeneration“ oder „Unternehmerinnen mit Migrationsgeschichte“ (Laros, 2016). Mit solchen Kategorien wird es möglich, sich sehr konkret mit den eigenen Zielgruppen zu befassen und entsprechende organisationale Maßnahmen der Öffnung einzuleiten. Gleichzeitig löst das Entwerfen alternativer Begriffe nicht alleine das Dilemma: Auch anhand der o. g. Benennungen erfolgt Segregation, die Konstruktion von Nicht-Zugehörigkeit und damit die Reproduktion von Ungleichheit und Ausschluss. Dennoch etabliert eine Reflexion der Konstruktionsprozesse von Begriffen eine Art Gegenerzählung, die dem gesellschaftlichen Mainstream widerspricht und Unterscheidungspraxen zumindest in Frage stellt (Heinemann, 2018). Gleichzeitig erfolgt eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Zielgruppe und ggf. die Etablierung differenzierter Bildungsangebote.
Hilfreich für die Reflexion von Konstruktionsprozessen ist es, etablierte Konstrukte zu kennen und über diese in Bezug auf Einschluss und Ausschluss nachzudenken:
Öztürk (2014) listet exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf: „Ausländer/in, Migrant/in, Asylant/in, Flüchtling, Zuwander/er/in, Deutsche/r mit Migrationshintergrund, Arbeitsmigrant/in, (Spät-)Aussiedler/in, Person mit nicht deutscher Herkunftssprache, Person mit Migrationshintergrund, Person mit Zuwanderungsgeschichte“ (S. 17). Während diese Aufzählung Begriffe in den Vordergrund stellt, die aus der nationalen Sicht Deutschlands besonders relevant sind, so kommen mit der Etablierung supranationaler Regelungen in der EU weitere rechtliche Konstrukte hinzu wie z.B. „EU-Inländer/In“.
Einen weiteren Ansatzpunkt für die Dekonstruktion von Begriffen und ggf. deren Neukonstruktion bildet die Ausdifferenzierung der Merkmale, durch die sich Migration in unterschiedlicher Weise kennzeichnen lässt. Öztürk (2014) schlägt dazu die Dimensionen zeitliche Merkmale, räumliche Merkmale sowie Migrationsentscheidung vor. Sie sind in der nachstehenden Mindmap visualisiert.
Gerade die Dimension der Migrationsentscheidung zeigt deutlich, dass es sich um idealtypische Unterscheidungen handelt: Ab welcher Zeitspanne Migration nicht mehr temporär ist, ist genauso streitbar wie die abschließende Beantwortung der Frage, unter welchen Bedingungen eine Migrationsentscheidung als freiwillig eingestuft werden kann.