Folgende Grundbildungsbedarfe lassen sich identifizieren:
Lernen lernen: Grundbildung ist nur sehr bedingt in der Lage, einen Zustand der Teilhabebefähigung herzustellen. Zum einen ist die Komplexität der Anforderungen der modernen Gesellschaft curricular im engen Rahmen von Grundbildungsmaßnahmen nicht abzubilden, und zum anderen verändern sich ihre kommunikativen und medialen Hervorbringungen und auch Institutionen und Prozesse permanent. Wissen und Können bedürfen mit anderen Worten einer permanenten Revision und Aktualisierung. Andererseits gibt es bestimmte, für die Gesellschaft typische Formen und Medien der Kommunikation und Kulturtechniken zu deren Erschließung, welche von den Gewohnheiten und Wissensbeständen vieler Geflüchteter abweichen. Als Manifestation des Lebenslangen Lernens ist daher eine entsprechende Lernkompetenz erforderlich, deren Aneignung Bestandteil der Grundbildung Geflüchteter sein sollte.
Sprache – Literalität: Der Themenbereich Sprache umfasst neben einer alltagsdienlichen Kompetenz der deutschen Sprache auch die Beherrschung wesentlicher Kulturtechniken, die für gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich sind, also Schreiben und Rechnen. Alphabetisierung oder Zweitschrifterwerb sind für nicht oder nicht lateinisch alphabetisierte Geflüchtete daher zwingende Lern-Desiderate.
Sozio-kulturelle Grundbildung: Die europäische Gesellschaft, die deutsche Gesellschaft und der lokale Sozialraum sind durch geteilte und ganz eigene Normen und Werte, Verhaltensregeln und Konventionen, behördliche und andere Institutionen wie die Medien und geschichtliche Entwicklungen charakterisiert, die das Leben in Europa, in Deutschland und in der Stadt oder der Gemeinde regeln. Fragen des mitmenschlichen Miteinanders und des Umgangs mit Institutionen, Organisationen und anderen gesellschaftlichen Einrichtungen wie Supermärkten, öffentlichem Nahverkehr, Telekommunikations- und anderen Dienstleistern sind hier ebenso angesprochen wie lebensweltliche Fragen der Freizeitgestaltung privat oder im Verein, oder auch grundlegende Orientierungen an respektvollem Umgang und Toleranz. Orientierung in diesem Bereich ermöglicht das Teilnehmen und Teilhaben an sowie das Mitgestalten von Gesellschaft.
Politisch-administrative Grundbildung: Demokratie und Meinungsfreiheit, Menschen- und Grundrechte, persönliche Rechte und Pflichten, Institutionen und andere Akteure sowie politische Partizipation schaffen die Grundlage für politische Mündigkeit und Demokratiefähigkeit in der neuen Lebenswelt.
Verbrauchergrundbildung: Verbraucherrechte und -pflichten, Chancen und Risiken des traditionellen und des Internethandels, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Vorteile und Nachteile von Verbraucherkrediten und unbarer Bezahlung oder auch die Prävention von Suchtverhalten und maßlosem Konsum sind ebenso denkbare Aspekte einer Verbrauchergrundbildung wie umweltschonendes Verbraucherverhalten. Sie befähigt zur aufgeklärten Teilhabe am Wirtschaftskreislauf, bewahrt vor der Überforderung angesichts der Warenfülle und des leichten Zugangs und lädt zu einer nachhaltigen Wahrnehmung der Verbraucherrolle ein.
Arbeitnehmergrundbildung: Die Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer sind in Deutschland spezifisch und in der Regel grundlegend anders als in den meisten Herkunftsländern. Fragen zum Arbeitsvertrag, zum Arbeitszeitrecht, zum Mutterschutz, zum Schutz vor Diskriminierung, zu Schutzrechten bei Kündigung, zu Zugangswegen in Arbeit sowie zur Unterscheidung zwischen ungelernter, angelernter oder qualifizierter Arbeit, zum Sinn von Ausbildung und Studium, zur Altersvorsorge und zum Sozialversicherungsschutz, aber auch zum Verständnis der eigenen Lohnabrechnung ergeben eine Fülle an Themen, die für mündige Arbeitnehmende besonders wichtig sind.