Was lässt sich aus der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (2006) für die Umsetzung von digitalen Lernangeboten lernen, damit sie von Kursteilnehmenden als motivierend erlebt werden?

Nach der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan 2006) motiviert es Lernende, wenn sie sich wirksam und kompetent fühlen, sich verbunden und interagierend erleben können und das Gefühl haben, ihre Handlungen selbstbestimmt steuern zu können. 

Im Folgenden lesen Sie, wie eine Trainerin die Theorie in ihren Online-Kursen umsetzt. 

Online-Kurse Fotografie und PR

Online-Kurse Fotografie und PR, Bild: iStock.com, SDI Productions, 

nicht unter freier Lizenz 

Ella Carr ist Fotografin und PR-Beraterin und hat sich vor zwei Jahren zusätzlich als Trainerin selbstständig gemacht. Sie hat eine eigene Lernplattform aufgebaut und hat Kurse im Angebot, die Selbständigen helfen, sich online besser zu präsentieren. Sie setzt bei ihren Angeboten auf eine hochwertig gestaltete Lernumgebung sowie die Anforderungen an Lernumgebungen nach Deci und Ryan. 

Kompetenzerleben  

Positives Feedback und erlebte Erfolge stärken das Selbstvertrauen der Lernenden und fördern das Gefühl von Kompetenz (vgl. Deci & Ryan, 2006). Integrieren Sie daher systematisches Feedback entlang klarer Kriterien zu Arbeitsergebnissen oder individuellem Lernfortschritt. Hierfür können sich unterschiedliche Funktionen digitaler Lernplattformen einsetzen lassen, wie Self-Assessments, Peer-Feedback in Blogs oder Foren oder Feedback durch Lehrende oder Tutorinnen und Tutoren. 

  • Self-Assessment des eigenen Wissensstands
  • Feedback durch andere Studierende (Peer-Feedback zu Ergebnissen, Peer-Review als Teil einer Aufgabe, Kommentare in Teilnehmenden-Blogs oder Foren)
  • Feedback durch Lehrende oder tutorielle Beratung

Feedback kann schriftlich, als Audio oder Video, asynchron oder synchron, nicht-öffentlich oder öffentlich realisiert werden.  

Auch eine unübersichtlich aufgebaute Lernplattform kann in virtuellen Kursen überfordernd sein und dadurch das Kompetenzerleben verringern und demotivieren. Hilfreich kann es deshalb sein, wenn zum Beispiel Inhalte und Materialien erst freigeben werden, wenn diese benötigt werden, oder Checklisten bereitzustellen, die Transparenz über den Kursverlauf herstellen (vgl. Prenzel, 1997).  

Kompetenz

Ella Carr hat sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass sich ihre Teilnehmenden passend zum Kursthema selbst ein Ziel, in Form eines Projekts, setzen und dieses im Kursverlauf bearbeiten. In Foren haben sie die Möglichkeit, ihre Projektidee zu teilen, Fragen zu stellen und sich Feedback von anderen Teilnehmenden und den Referentinnen und Referenten einzuholen. Zu Beginn des Kurses stellt Frau Carr den Ablauf des Kurses vor, erklärt das Vorgehen im Kurs und gibt Rahmenbedingungen für das persönliche Projekt vor. In den einzelnen Einheiten gibt Ella Carr jeweils theoretische und praxisnahe sowie persönliche Einblicke zu unterschiedlichen Themenbereichen, die die Teilnehmenden dann diskutieren und für ihr Projekt nutzen oder reflektieren können. 

Soziale Eingebundenheit  

In virtuellen Lehrveranstaltungen kann es herausfordernd sein, ein Gefühl der sozialen Verbundenheit zu schaffen. Dennoch bieten digitale Einstellungen Möglichkeiten, die Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden sowie unter den Lernenden zu fördern. Je nach Setting (synchron oder asynchron) können folgende Maßnahmen zum Einsatz kommen (nach Lehre virtuell, 2022):  

  • Ein persönliches Willkommensvideo zum Start mit wichtigen Informationen zum Kurs,
  • regelmäßiges Engagement in Forendiskussionen,
  • Gruppenarbeiten, Diskussionen oder Peer-Feedback oder
  • kurze Vorstellungsrunden zu Beginn.
soziale Eingebundenheit

Die Lernumgebung von Ella Carr hat ein Forum, in dem sich Teilnehmende austauschen können. Ein Bereich dient hier dem gegenseitigen Kennenlernen. Es gibt keine Einzelaufgaben, sondern ein Projekt, an dem die Teilnehmenden während der Kurslaufzeit arbeiten können. Fragen hierzu sowie Ergebnisse und Feedbackwünsche können diese in einer weiteren Gruppe teilen. Auch zu Einzelthemen gibt es Räume. Wenn Ella Carr Gast-Dozentinnen oder Dozenten in ihren Kursen hat, beantworten diese Fragen in Räumen zu ihren Themen. 

Autonomie  

Unter Autonomie ist das Bedürfnis nach Kontrolle über den eigenen Lernprozess und der Wunsch, eigene Entscheidungen treffen zu können, gemeint. Ermutigen Sie Ihre  Teilnehmenden, selbstständig zu handeln und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, indem Sie nicht zu detaillierte Vorgaben machen. Das kann bedeuten (nach Lehre virtuell, 2022):  

  • mehrere alternative Formate zur Realisierung von Aufgaben oder Arbeitsaufträgen zur Wahl stellen (Präsentation, Poster, Podcasting, Text o.ä.) oder
  • die Reihenfolge der zu bearbeitende Aufgaben freistellen.
Autonomie

Die Kurse von Ella Carr laufen meistens über drei Wochen. Sie schaltet in dieser Zeit montags bis freitags täglich neue Einheiten (Videos, Podcasts oder Worksheets) frei, die die Teilnehmenden bearbeiten können, wann es für sie passt. Außerdem gibt es eine Projektaufgabe, die über die gesamte Kurslaufzeit bearbeitet werden kann. Die Teilnehmenden überlegen sich ihr Projekt nach einer Einführung in diese  selbst und haben die Möglichkeit, sich während der Kurslaufzeit und noch zwei Wochen danach im Forum zu dem Projekt mit anderen auszutauschen, Fragen zu stellen und Feedback zu erhalten. 


Referenzen

Deci, E. & Ryan, R. (Hrsg.) (2006). The Handbook of Self-Determination Research. University of Rochester Press.  

Lehre virtuell (2022). Digitale Lehre und Lernmotivation. Universität Frankfurt. Verfügbar  unter: https://lehre-virtuell.uni-frankfurt.de/knowhow/digitale-lehre-und-lernmotivation/  (zuletzt abgerufen am 20.08.2024)

Prenzel, M. (1997). Sechs Möglichkeiten, Lernende zu demotivieren. In H. Gruber & A. Renkl (Hrsg.), Wege zum Können. Determinanten des Kompetenzerwerbs (S. 32-44). Bern: Huber.  

Reinmann-Rothmeier, G. (2003). Die vergessenen Weggefährten des Lernens: Herleitung eines Forschungsprogramms zu Emotionen beim E-Learning (Arbeitsbericht Nr. 1). Augsburg: Universität Augsburg: Medienpädagogik.