Was ist Gamification und wie kann es dazu beitragen, dass Lernende motivierter sind? Und vor allem: Was gibt es zu beachten?
Frustrierter Mann am PC

Frustrierter Trainer, Bild: iStock.com, PeopleImages, nicht unter freier Lizenz 

Tino Linde erstellt Selbstlernangebote für Unternehmen, die z.B. Onboardings oder Unterweisungen für ihre Mitarbeitenden digital anbieten wollen. Die meisten Trainings bestehen bisher daraus, dass Mitarbeitende Texte lesen und anschließend Multiple-Choice-Fragen beantworten müssen, um sicherzugehen, dass alles verstanden wurde.  

Die Rückmeldungen sind, dass Mitarbeitende meistens nach 20 Minuten nicht mehr konzentriert sind und nach spätestens 45 Minuten keine Lust mehr auf das Lernen haben, auch wenn es für sie verpflichtend ist. Viele raten die Antworten und liegen damit oft richtig, auch wenn sie sich mit dem Inhalt nicht beschäftigt haben. 

Die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2002) erklärt, warum Menschen aus eigenem Antrieb handeln, ohne äußere Belohnungen. In Weiterbildungen ist der Lernprozess aufgrund der Anbindung an Curricula und die Steuerung durch Lehrende eher fremdbestimmt. Trotzdem können Lernende durch Anpassungen der digitalen Umgebung motiviert werden, autonom zu handeln. Deci und Ryan (2002) erklären, dass dies durch die Befriedigung grundlegender psychologischer Bedürfnisse wie Autonomie, Kompetenz und sozialer Verbundenheit geschehen kann. 

Was bedeutet selbstbestimmtes Lernen?

Selbstbestimmt lernen bedeutet (vgl. Buhl et al., 2021):  

  • Autonomieerleben. Lernende sollten ihre Handlungen als selbstbestimmt erleben können, indem sie zum Beispiel Aufgaben, Themen oder Handlungsweisen selbst wählen oder mitbestimmen können.
  • Kompetenzerleben. Passen Aufgaben zum Kompetenzniveau, fühlen sich Lernende besonders wirksam. Unterstützt werden kann dies durch individuelles Feedback.
  • Soziale Eingebundenheit. In Weiterbildungen entsteht soziale Eingebundenheit hauptsächlich durch positive Beziehungen zu anderen (zum Beispiel in Chats oder Foren) und das Gruppenerleben.

Durch Computerspiele kann es gelingen, psychologische Grundbedürfnisse anzusprechen. Durch Gamification-Elemente lässt sich diese Attraktivität auch auf Lernumgebungen übertragen.  

Ist der Gamification-Ansatz die Lösung? 

Was ist Gamification?

„Unter Gamification versteht man die Nutzung spielbasierter Elemente aus Computerspielen für digitale Lernumgebungen. Diese sollen in besonderer Weise psychologische Grundbedürfnisse berücksichtigen und damit selbstbestimmtes Handeln der Lernenden fördern“ (Buhl et al. 2021, nach Kapp, 2012; Sailer & Homner, 2020). 

Elemente von Gamification

Elemente von Gamification, Bild: Eigene Darstellung

 

Digitale Lernumgebungen bieten für das Autonomieerleben der Lernenden oftmals viele verschiedene Wahlmöglichkeiten. Dies bedeutet, dass „Lernende selbstständig in der digitalen Lernumgebung interagieren, also verschiedene Möglichkeiten haben, selbst Aufgaben zu wählen und die Lernumgebung zu steuern. [Durch] narrative Rahmenhandlung [...] werden Ziele verständlicher und bewusster. Die Identifikation mit den Spielfiguren (z.B. in Form von Avataren) in spielbasierten Lernsettings ist ein weiteres Merkmal, welches das Bedürfnis nach Autonomieerleben befriedigen kann“ (Buhl et al., 2021).  

Sind Lernumgebungen adaptiv,   „fördert dies das (positive) Erleben von Kompetenz “ (Buhl et al., 2021). Adaptive Elemente können verschieden einstellbare Schwierigkeitsstufen, Hinweise und Aufgaben bei Fehlern sowie direktes Feedback zu Aufgabenlösungen sein.  

Die soziale Eingebundenheit wird gefördert,  „wenn durch das Programm das Spielen in der Gruppe und dadurch kollaboratives oder kooperatives Lernen ermöglicht wird “ (Buhl et al., 2021). Durch ein solches Vorgehen werden Ziele geteilt und gemeinsam verfolgt. Wichtig ist, dass Aufgaben gemeinsam und nicht gegeneinander gelöst werden müssen.  

Die Nutzung von gamifizierten digitalen Lernumgebungen in Weiterbildungen kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Motivation haben, je nachdem, wie Lernenden die Aufgaben oder Aktivitäten bewerten. Obwohl positive Effekte auf die Erfüllung psychologischer Grundbedürfnisse festgestellt wurden, ist die Auswirkung auf die Motivation insgesamt noch nicht eindeutig belegt (Sailer & Homner, 2020).  

Was ist beim Einsatz von Gamification zu beachten?  

Motivation in digitalen Lernumgebungen durch Gamification-Anteile? 

Die folgende Checkliste mit den darin enthaltenen Fragen bietet Anregungen, um Gamification sinnvoll in digitalen Lehr-Lern-Settings einzusetzen (vgl. Buhl, Bonanati & Eickelmann, 2021). 

  • Wie bewerten die Lernenden den Lerngegenstand und das Lernangebot unabhängig des Einsatzes von digitalen Medien und Lernumgebungen? Sind sie intrinsisch motiviert und beschäftigen sie sich gerne mit dem Thema? Gibt es ggf. starke Unterschiede in der Motivation?
  • Können die Lernenden Thema, Abfolge, Lernformen etc. selbst wählen?
  • Gibt es die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad der digitalen Lernumgebung an die Fähigkeiten der Lernenden anzupassen?
  • Steht bei Gruppenspieloptionen das Lösen der Aufgabe im Fokus oder besteht die Gefahr von Konkurrenz?
  • Fördert die Lernumgebung die Selbstbestimmung oder führt das Feedback sogar zu stärkerer Außensteuerung, z. B. durch ein Punktesystem?
Trainer vor dem PC

Trainer vor dem PC, Bild: iStock.com, PeopleImages, nicht unter freier Lizenz 

Tino Linde entscheidet sich, sich die Feedbacks zu Herzen zu nehmen und die Lernumgebungen anders zu gestalten:  

Die Mitarbeitenden in den Unternehmen müssen nicht mehr Seite für Seite durchlesen, sondern sie sehen eine animierte Umgebung zu bestimmten Themengebieten, in der sie sich selbst als animierter Charakter durchklicken und die Informationen finden können.

Die interaktiven Themengebiete beinhalten Herausforderungen, die so auch im Unternehmen auftreten können. Wenn es also thematisch um die Sicherheit am Arbeitsplatz geht, wird der virtuelle Charakter mit einer unsicheren Situation im Unternehmen konfrontiert oder muss unsichere Stellen finden.

Gamification-Map

Gamification-Map, Bild: Eigene Darstellung


Referenzen

Buhl, H. M., Bonanati, S. & Eickelmann, B. (2021). Schule in der digitalen Welt. Göttingen: Hogrefe.  

Deci, E. & Ryan, M. R. (Hrsg.) (2002). Handbook of self-determination theory. Rochester: University Press.  

Kapp, K. M. (2012). The gamification of learning and instruction: Game-based methods and strategies for training and education. San Francisco: Pfeiffer. 

Sailer, M. & Homner, L. (2020). The gamification of learning: a meta-analysis. Educational Psychology Review, 32, 77–112. https://doi.org/10.1007/s10648-019-09498-w.