In Selbstlernkursen, in denen Teilnehmende   selbstgesteuert und zeitlich flexibel lernen können   und   häufig unterschiedliche Lernziele verfolgen, ist es eine Herausforderung für Lehrende,   die   passende   Ansprache  an die Teilnehmenden, die richtige Menge und   eine sinnvolle Reihenfolge   der Inhalte zu finden, um   Lernprozesse   zu ermöglichen. Im Folgenden finden Sie einige Hinweise, die dabei helfen können. 

Erfolgreiche Lernprozesse, Bild: iStock.com,

Alona Horkova, nicht unter freier Lizenz

Was sollte eine Online-Lernumgebung leisten, um Lernprozesse optimal zu gestalten? 

Ausgangspunkt der Lernprozessbegleitung ist, die Lernenden individuell in ihrer Entwicklung zu fördern und dafür spezifische Lernprozesse zu gestalten. Diese richtet sich auf das Ziel der Weiterbildung (z. B. ein Zertifikat) bzw. auf potenzielle individuelle Lernziele der Teilnehmenden. 

Da es bei Online-Selbstlernangeboten keinen direkten Kontakt zu Lehrenden und oft auch nicht zu anderen Lernenden gibt, ist es ein weiterer wichtiger Aspekt der Lernprozessbegleitung, Lernende im Aufbau und der Entwicklung ihrer Selbstlernkompetenz zu unterstützen, diese zu entwickeln und nachhaltig zu stärken (vgl. Wrana, 2009). 

Im Idealfall leisten Lernumgebungen eine individuelle Lernbedarfsfeststellung, aus der sich die nächsten Lernschritte bzw. Lernempfehlungen ergeben. Dies erfordert jedoch technische Rahmenbedingungen, die solche Verfahren ermöglichen und darstellen können. 

 

Exkurs: Lernprozesse in Selbstlernkursen anregen 

In Selbstlernarrangements, die nicht kursartig aufgebaut sind, sondern sich an den Lernzielen der Teilnehmenden orientieren, muss das System Formen der Orientierung bieten, die eher einem Mentoring, einer Lernbegleitung oder Lernberatung ähneln. „Weder die Lernwege, die Lesarten, die Organisation noch die Methoden müssen gänzlich den Lernenden überantwortet sein“ (Wrana, 2009, S. 171). Vielmehr können bestimmte Lernarrangements einen Raum von Möglichkeiten eröffnen.  Im Folgenden finden Sie hierzu zwei Beispiele:

Trainer vor dem PC

Online-Trainer, Bild: iStock.com, 

insta_photos, nicht unter freier Lizenz

Das Beispiel von Herrn Haugen zeigt, wie in problemorientierten Lernumgebungen (anchored instruction) (vgl. CTGV, 1992) ein Fall präsentiert wird, zu dessen Lösung die Lernenden unterschiedliche Lernwege entwickeln müssen.  Peter Haugen bietet Online-Kurse für Führungskräfte an.

Neben meinen Seminaren und Einzelcoachings habe ich angefangen, mein Wissen auch in Online-Kursen weiterzugeben. Bei den festen Kursen habe ich jedoch häufig die Rückmeldung bekommen, dass sie oft nicht wirklich passend sind. Also habe ich Personas entwickelt, die spezifische Herausforderungen haben, wie ich sie auch von meinen Kunden kenne. Teilnehmende in den Online-Kursen haben zu Beginn die Möglichkeit, sich die Personas mit ihren Geschichten anzuschauen und auszuwählen, mit welchem Thema sie sich näher beschäftigen wollen. Für jede Persona habe ich dann passende Videos mit anschließenden Wissens- und Transferaufgaben zusammengestellt und um Selbstreflexionsaufgaben und vertiefende Inhalte erweitert, so dass die Teilnehmenden selbst entscheiden können, was und wie sie lernen und möglichst viel für sich aus den Kursen mitnehmen können.

Trainerin vor dem PC

Online-Trainerin, Bild: iStock.com, 

VioletaStoimenova, 

nicht unter freier Lizenz

Durch komplexe Herausforderungen, an denen die Lernenden Strukturen und Lösungen entwickeln sollen, um das Thema zu verstehen, können Selbstlernarchitekturen entstehen (vgl. Forneck, 2006).  Dies wird im folgenden Beispiel von Frau Moen deutlich. Emma Moen ist Unternehmensberaterin und bietet zusätzlich Online-Kurse für Frauen an, die sich selbständig machen möchten.  

Das Ziel meiner Kurse ist es, Wissen zu vermitteln, was von den Teilnehmerinnen möglichst flexibel angewendet werden kann. Durch Aufgaben und Anregungen sollen sie für sich passende Strategien zur Problemlösung entwickeln können. Die Teilnehmerinnen können deshalb meine Videos, Worksheets und das Forum so nutzen, wie es für sie passend ist. Durch das System werden sie zu Beginn und dann in regelmäßigen Abständen angehalten, ihre individuellen Herausforderungen zu schildern und festzuhalten, was sie gelernt haben und was ihnen wie weitergeholfen hat bzw. was ihre Pläne für die kommende Zeit sind. Im Forum haben die Teilnehmerinnen außerdem die Möglichkeit, ihre Themen mit anderen Frauen zu besprechen und sich Feedback zu holen.

Wie können Inhalte in Selbstlernkursen angeordnet werden?

 Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Lerninhalte anzuordnen. Teilweise ist dies in Online-Lernumgebungen fest vorgegeben, in anderen können Lehrende zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen. Die folgenden Anordnungen sind denkbar (vgl. Teaching & Learning Academy, 2019; Schmidt, 2019):  

Lerninhalte und Lernaktivitäten ohne feste Struktur anbieten  

Lerninhalte oder Lernaktivitäten werden bei diesem Vorgehen von den Lehrenden online ohne eine feste Struktur und frei von Bedingungen zur Verfügung gestellt. Die Lernmaterialien sind dabei weder thematisch noch zeitlich zusammengefasst. Lernende können frei wählen, wie sie mit den Materialien arbeiten.  

Dieses Vorgehen ist dann sinnvoll, wenn Kursteilnehmende ihren Lernprozess online selbst organisieren sollen können. Hierbei sollte es aber Formen der Unterstützung geben, die je nach Lernziel bestimmte Lernwege empfehlen oder Anleitungen für Lernprozesse geben. Anders sieht es aus, wenn die Lernmaterialien als reine Ergänzung oder Vertiefung zur Verfügung stehen.  

Lehrende können durch dieses Vorgehen Lernmaterialien schnell und einfach bereitstellen, Kursteilnehmende haben dadurch eine maximale Freiheit in ihrem Lernprozess, haben aber möglicherweise Schwierigkeiten bei der Priorisierung. Für Lehrende gibt es in solchen Umgebungen häufig keine Möglichkeit, den Lernprozess der Teilnehmenden einzusehen und zu beobachten.  

Lerninhalte in Ordnern vorstrukturiert  

Die Ordner-Struktur eignet sich dann, wenn Lehrende die Teilnehmenden den eigenen Lernprozess online weitgehend selbst organisieren lassen möchten, ihnen aber trotzdem eine leichte Struktur mit der Darstellung der Lernmaterialien in Ordnern anbieten wollen.  

Hierfür sortieren die Lehrenden die Materialien nach Themen, zeitlicher Abfolge oder nach Materialtypen, wobei die Lernenden selbst entscheiden können, in welcher Reihenfolge sie die Inhalte bearbeiten. Lehrende haben dabei jedoch meist keine Möglichkeit, den Lernprozess der Teilnehmenden einzusehen und zu beobachten.  

Lernpakete angelegt als Lernpfade  

Bei bedingten Lernpfaden muss die Bearbeitungsreihenfolge eingehalten werden, Lernende bearbeiten die Lernpakete der Reihe nach. Je nach Lernplattform können Lehrende verschiedene Voraussetzungen bzw. Bedingungen für diese Lernpfade festlegen, zum Beispiel, wenn Teilnehmende ein Material bearbeitet oder einen Test erfolgreich absolviert haben oder zu bestimmten, festen Terminen. Diese Form der Strukturierung eignet sich besonders für längere Online-Kurse oder wenn die Inhalte stark aufeinander aufbauen.  

Lehrende haben aber auch die Möglichkeit, Lernpakete individuell zu empfehlen, wenn sie den Lernprozess der Teilnehmenden einsehen können und so differenzierte, individualisierte Unterstützung zu bieten.   


Referenzen

Bönsch, M. (2011). Individualisierende Lernwege. Pädagogisch-didaktische Antworten auf einen aktuellen Notstand. Schulmagazin 5-10, 79/2011, 7-10. 

Brater, M., Maurus, A., Munz, C., Dufter-Weis, A., Büchele, U. & Bauer, H. (2010). Lern(prozess)begleitung in der Ausbildung: Wie man Lernende begleiten und Lernprozesse gestalten kann. Ein Handbuch. Bielefeld: wbv Media. 

CTGV Cognition and Technology Group at Vanderbilt. (1992). The Jasper series as an example of anchored instruction: Theory, program description and assessment data. Educational Psychologist, 27, S. 291–315. 

Forneck, H. (2006). Selbstlernarchitekturen. Lernen und Selbstsorge 1. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.   

Schmidt, R. (2019). Selbstgesteuertes Lernen durch Lernpfade. In 100. MNU Kongress, Regensburg. Verfügbar unter: Selbstgesteuertes Lernen durch Lernpfade.pdf (digitale-lernpfade.de) (zuletzt abgerufen am 21.08.2024)

Teaching & Learning Academy (2019). Lernprozesse. Wirtschaftsuniversität Wien. Verfügbar  unter: Teaching & Learning Academy - 3.5 Lernprozesse (wu.ac.at) (zuletzt abgerufen am 21.08.2024) 

Wrana, D. (2009). Zur Organisationsform selbstgesteuerter Lernprozesse. Beiträge zur Lehrerbildung 27 (2009) 2, 163-174.