Digitale Lerninhalte brauchen nicht nur   hochwertige und gut strukturierte Inhalte,  entscheidend für den Lernerfolg sind auch bestimmte Voraussetzungen der Lernenden.   Welche Herausforderungen digitale Kurse  mit sich bringen  und warum es sinnvoll sein kann,   Lernprozesse sichtbar zu machen, erfahren Sie im Folgenden. 

Definition: Lehr-Lern-Prozesse 

Als Lehr-Lern-Prozesse werden alle Bedingungen, Prozesse und Interaktionen einer (Online-) Weiterbildung verstanden, die das Ziel haben, das Lernen anzuregen und zu optimieren. Moderne Ansätze fokussieren hierbei auf unterschiedliche „Vermittlungs- und Übersetzungsprozesse“ (Witz, 2021) bei den Lernenden sowie die Art und Weise, wie diese durch Aktivitäten von Seiten der Lehrenden unterstützt werden können. „So geht das Angebots-Nutzungs-Modell davon aus, dass Lehrangebote nur dann zum Erfolg führen, wenn diese durch die Lernenden in angemessener Weise wahrgenommen, interpretiert und genutzt werden. Nur wenn bekannt ist, welche Prozesse beim Lernen ablaufen, ist effektives Lehren und Unterstützen möglich“ (ebenda). 

„Alle Lehr-Lern-Prozesse sind an konkrete soziale Systeme [...] gekoppelt. Die Qualität [...] ist von Funktionalität vs. Dysfunktionalität solcher [Lern-]Systeme abhängig: Je „reibungsloser“ die Transaktionen im System verlaufen, desto effektiver werden [...] Lernprozesse sein. Kognitive und soziale Prozesse sind von daher nicht als voneinander unabhängige Bereiche anzusehen; Lehr- und Lernvariablen sind in komplexer Weise mit sozio-emotionalen Faktoren verknüpft“ (Brunner et al. 2009, S. 399).

Der Lehr-Lernprozess ist also ein dynamischer Prozess – es kommen ein Input (durch Lernmaterialien), die Verarbeitung durch die Lernenden, gegebenenfalls Interaktion sowie ein Output (zum Beispiel in Form von bestandenen Aufgaben) zusammen. Lehrende können den Lernprozess durch unterschiedliche Methoden und Ansätzen unterstützen, wie zum Beispiel durch klare Anweisungen oder Feedback.  

Im Folgenden finden Sie zwei Statements von Teilnehmenden von Online-Kursen.

Per Klick auf das Play-Symbol können Sie sich die Erfahrungen anhören.  

 

Auf dem Bild sieht man einen Mann mit Headset an einem Laptop. Der Gesichtsausdruck ist neutral bis zweifelnd.
Auf dem Bild sieht man einen Mann mit Headset an einem Laptop. Der Gesichtsausdruck ist neutral bis zweifelnd.

Transkript

Teilnehmerin:

Normalerweise besuche ich einmal im Jahr einen Volkshochschulkurs, um mich in einem Thema weiterzubilden. Das kann eine Sprache sein, aber auch ein Thema, zu dem ich bisher noch nichts wusste. Oder etwas Praktisches. Diesmal habe ich entschieden, dass ich einen Online-Kurs ausprobieren möchte einen Online-Marketingkurs. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich vermisse die festen Termine, zum Beispiel der Mittwochabend, den ich mir extra für den Kurs freihalte. Das so für mich zu strukturieren, ohne, dass da jemand wartet, finde ich sehr schwierig.

Teilnehmer:

Meine beruflichen Weiterbildungen, die ich regelmäßig machen muss, finden seit ein paar Jahren online statt. Da ich das Gelernte im Anschluss direkt im Job anwenden möchte, ist es mir sehr wichtig, dass ich alles richtig verstanden habe und direkt nachfragen kann, wenn ich mir unsicher bin. Online fehlt mir der Erfahrungsaustausch und manchmal bleiben meine Fragen ungeklärt.

Herausforderungen für die Teilnehmenden beim Lernen in digitalen (Selbstlern-)Kursen – Was gute Lernprozesse schwierig macht 

In digitalen Lernumgebungen müssen die Teilnehmenden sich selbst organisieren. Selbstgesteuertes Lernen erfordert ein hohes Maß an Selbstlernkomptenzen, die sich in die folgenden Aspekte unterteilen lassen (vgl. Wrana, 2009): 

Für viele Teilnehmende ist es außerdem eine große Herausforderung, eine angemessene Balance zwischen einem zügigen Bearbeiten der Inhalte und Aufgaben und einem „sich-in-den-Lerninhalten-Verlieren“ herzustellen. 

Das Ziel von Lehrenden bei der Erstellung von Online-Kursen sollte es deshalb sein, die Selbstlernkompetenzen der Teilnehmenden zu unterstützen und zu fördern.  

Warum sollten Lernprozesse in digitalen Kursen erfasst und sichtbar gemacht werden? 

Lernprozesse und Lernergebnisse zu erfassen kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein: 

Wählen Sie die  grünen Haken an, um mehr über die Gründe zu erfahren.

Prozesse erfassen, Bild: iStock.com, Rawpixel, nicht unter freier Lizenz

Auch aus pädagogischer Sicht ist es sinnvoll, den Lernprozess und die Lernleistung getrennt voneinander zu betrachten. Während es in Leistungssituationen darum geht, „Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden“ (Weinert, 1999, S. 23), Fehler also möglichst vermieden werden, sind Lernsituationen dagegen „entspannter, offener, sach-, informations- und problemorientierter“ (Weinert, 1999, S. 23) und „Versuch und Irrtum“ gehören zum Lernen explizit dazu.  

Wichtig für einen guten Lernprozess: Constructive Alignment

Während Lehrende den Lehr-Lern-Prozess oft aus der Perspektive der Lehrinhalte sehen, stehen für  Teilnehmende meist die Prüfungen beziehungsweise ihre individuellen Lernziele im Vordergrund. 

Die grundlegende Annahme des Constructive Alignment (Biggs & Tang 2011) ist, dass bei der Planung einer Lehrveranstaltung eine größtmögliche Kohärenz zwischen Lernziel, Lehrmethode und Prüfung berücksichtigt werden sollte, um einen guten Lernprozess zu gewährleisten. Dafür bedingen sich die folgenden drei Komponenten:

  • Welche Lernziele (learning outcome) werden im Kurs angestrebt?
  • Welche Strategien und Lehrmethoden ermöglichen ein Erreichen der Lernziele?
  • Wie kann überprüft werden, ob die angestrebten Lernziele erreicht wurden?

Referenzen

Biggs, J. & Tang, C. (2011). Teaching for Quality Learning at University. (4th edition). The Society for Research into Higher Education and Open University Press (McGraw Hill Education). Maidenhead, Berks.

Brunner, E. & Huber, G. (1983). Lehr-Lern-Forschung als Erforschung von Interdependenzen in Lehrer-Schüler-Systemen. Unterrichtswissenschaft 11/4, S. 396-405. 

Häcker, T. (2005). Portfolio als Instrument der Kompetenzdarstellung und reflexiven Lern-prozesssteuerung. In bwp@ Nr. 8. Verfügbar unter: http://www.bwpat.de    (zuletzt abgerufen am 21.08.2024)

Wirtz, M. (Hrsg). Lehr-Lern-Prozesse. In  Dorsch – Lexikon der Psychologie. Hogrefe. Verfügbar unter: Lehr-Lern-Prozesse – Dorsch - Lexikon der Psychologie (hogrefe.com)

Weinert, F. (1999). Bedingungen für mathematisch-naturwissenschaftliche Leistungen in der Schule und die Möglichkeiten ihrer Verbesserung. In Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.), Weiterentwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts. Stuttgart 

Winter, F. (2004). Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Wrana, D. (2009). Zur Organisationsform selbstgesteuerter Lernprozesse. Beiträge zur Lehrerbildung 27 (2009) 2, 163-174.