Um emotionale Stimmigkeit und Ganzheit zu erreichen  und damit   Lernen in Online-Umgebungen gelingen kann, stehen mehrere Gestaltungsebenen zur Verfügung: Die   Oberflächen-, die Struktur- und die Prozessgestaltung. 

Das Betrachten verschiedener Gestaltungsebenen ermöglicht es, Emotionen als entscheidenden Faktor bei der Gestaltung von E-Learning-Umgebungen nicht nur zu berücksichtigen, sondern auch aktiv einzubeziehen (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003).  Im Folgenden finden Sie zwei Berichte aus der Praxis:

Oleg Goldmann berichtet von seinem Web-Based-Training 

„Für die Mitarbeitenden meiner Firma habe ich ein Selbstlernangebot zum Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten geschaffen.  Alle können nun auf ein Web-Based-Training zu dem Thema zugreifen. Leider absolvieren sehr wenige meiner Kolleginnen und Kollegen das Training, obwohl ich weiß, dass das Thema aktuell einen großen Stellenwert hat. 

Im Flur habe ich dann vor kurzem mitgehört, dass  drei Kolleginnen im Gespräch waren und bemängelten, dass das Training so traurig aussehe, weil es nur in schwarz und weiß gestaltet ist und dass sie verwirrt seien von den vielen unterschiedlichen Symbolen in dem Training.  Das hat mich nachdenklich gemacht.“

Lola Maas berichtet von ihrem Online-Kurs

„Ich besuche aktuell einen Online-Kurs zum Thema Social-Media-Nutzung als Organisation.  Ich bin leider nicht ganz zufrieden mit dem Kurs, denn der Dozent lässt uns häufig alleine.  Zu vielen Aufgaben bekomme ich gar kein Feedback und das fühlt sich irgendwie unpersönlich und unbefriedigend an. Auch wenn wir in Break-Out-Sessions in kleineren Gruppen arbeiten,  wirkt der Dozent abwesend und schaut in den Lernprozessen nicht mal rein.  

Außerdem stört mich, dass der Dozent eine Konferenzsoftware benutzt, die nur sehr begrenzte Möglichkeiten aufweist. Man kann  sich nicht per virtuellem Zeichen melden, sodass Wortmeldungen häufig in einem unstrukturierten Chaos enden. Die Struktur des Kurses ist mir leider einfach nicht klar: Mal lernen wir etwas darüber, wie wir Postings schreiben, und kurz danach geht es wieder darum, welche Bilder verwendet werden sollten. Die einzelnen Einheiten haben gar kein konkretes Thema. So habe ich meistens schon gar keine Lust mehr zu lernen.“

Im Folgenden finden Sie weitere Informationen zu den Ebenen. Wählen Sie die Überschriften an, um sich die jeweiligen Inhalte anzusehen. 

Oberflächengestaltung  

Webseiten sind die erste und entscheidende Kontaktfläche zwischen Lernenden und dem E-Learning-Angebot (vgl. Thissen, 2001). 

Um lernförderliche Emotionen zu fördern, kann die Aufmerksamkeit durch ein gutes Informationsdesign gezielt gelenkt werden, zum Beispiel durch wiederkehrende Icons oder Darstellungen (vgl. Keller, 1983; Fritz, 1995).

Um Kohärenz sicherzustellen, sollten auf dieser Ebene die Gesamtgestaltung und ästhetische Kriterien berücksichtigt werden.

In  Bezug auf das oben genannte Beispiel von Oleg Goldmann sind folgende Aspekte relevant: 

  • Oleg Goldmann könnte das WBT überarbeiten, indem er beispielsweise mit den Farben des Unternehmens arbeitet (Corporate Identity Farben), um das Training farblich etwas fröhlicher und ansprechender zu gestalten.
  • Oleg Goldmann könnte sich das Training nochmal ansehen und die wichtigsten Symbole festlegen. So könnte er auf wiederkehrende Icons zurückgreifen, die weniger verwirrend sind und die Lernenden dabei unterstützen, die Inhalte einzuordnen.
  • Außerdem könnte er  im Training überprüfen, ob die Gestaltung die Aufmerksamkeit der Lernenden sinnvoll lenkt. Wichtiges sollte auf einen Blick hervorstechen. Zudem sollte die Oberfläche nicht  zu voll sein und Weißräume enthalten.

Strukturgestaltung  

Die Strukturgestaltung umfasst sowohl die didaktische Aufbereitung von Inhalten als auch die gesamte instruktionale Gestaltung (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003). 

Zur instruktionalen Gestaltung gehören die Sequenzierung und Anordnung von Inhalten sowie Anleitungen, Szenarien und Aufgabenstellungen.

Bei der Strukturgestaltung ist es wichtig, die einzelnen Elemente so abzustimmen, dass sie eine stimmige Gesamtkonzeption bilden. Diese sollte eine zusammenhängende Komposition aus Inhalten, Anleitungen, Aufgaben und Szenarien ergeben, um Kohärenz zu gewährleisten.

 

In  Bezug auf das oben genannte Beispiel von Lola Maas sind folgende Aspekte relevant: 

  • Der Dozent sollte eine ausgewogene Struktur für die einzelnen Einheiten erstellen und diese auch den Lernenden mitteilen. Es wäre beispielsweise sinnvoll, die einzelnen Termine  zu einem bestimmten Thema des Social Media Managements (z. B. Texten, Visualität, Tools, Redaktionspläne) zu stellen.
  • Die Inhalte sollten – wenn möglich – aufeinander aufbauen. Deshalb sollte der Dozent überlegen, welche Inhalte Basiskenntnisse  sind und welche Inhalte eher vertiefenden Kenntnissen entsprechen.  Anhand dessen kann er eine inhaltliche Struktur schaffen, die die Lernenden unterstützt. 

Prozessgestaltung 

In E-Learning-Umgebungen werden Prozesse sowohl durch verschiedene Interaktionsformen, wie die zwischen Lernenden und dem System, als auch durch die Betreuung seitens der Lehrenden gestaltet (vgl. Schulmeister, 2003).

Die Betreuung beim E-Learning spielt eine bedeutende Rolle bei der emotionalen Gestaltung, da sie zwischenmenschliche Beziehungen, wenn auch digital vermittelt, einschließt. Hierzu zählen Feedback, individuelle Unterstützung und Gruppenmoderation.

Um auf der Prozessebene Kohärenz zu schaffen, bedarf es je nach Zielgruppe unterschiedlicher Maßnahmen,  um eine ausgewogene Balance zwischen kognitiven Prozessen und verschiedenen Emotionen zu gewährleisten (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003).

In  Bezug auf das oben genannte Beispiel von Lola Maas sind folgende Aspekte relevant: 

  • Der Dozent sollte sich nochmal mit der Konferenzsoftware auseinandersetzen: Gibt es vielleicht doch eine Möglichkeit, wie Lernende sich virtuell melden können? Alternativ könnte er recherchieren, welche andere Software hier eine bessere Interaktion ermöglicht.
  • Der Dozent sollte  eine klare Feedbackstruktur für die Lernenden schaffen. Einerseits könnte er den Lernenden in einem definierten zeitlichen Abstand Feedback in Form einer kurzen Audio- oder Video-Datei zukommen lassen. Zudem könnte es hilfreich sein, Tools wie Mentimeter (Tool für interaktive Abstimmungen) zu nutzen, um von den Lernenden ein Feedback zu erhalten und so ggfs. Anpassungen im Kurs vorzunehmen.

Checkliste: Emotionaler Beanspruchung vorbeugen

Marina Torgovnik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum KMI (Künstlich Menschlich Intelligent) am Institut für Angewandte Informatik e. V. in Leipzig und gibt Hinweise auf Aspekte, die für eine  empathische Kursgestaltung sorgen. Die emotionalen Bedürfnisse der Lernenden sind laut Torgovnik zentral, um eine  positive, lernförderliche Atmosphäre zu schaffen: „Lehrende können mithilfe dieser Punkte die eigene Kursgestaltung reflektieren und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.“ (Torgovnik, 2024)

Folgende Punkte sind laut Torgovnik (2024) wichtig:

  • Konzeption des Kurses
    Lehrende können bereits bei der Konzeption des Kurses darüber nachdenken, welche Aspekte emotional fordernd sein könnten. Diese Punkte können vorab angesprochen oder in den entsprechenden Abschnitten besonders berücksichtigt werden.
  • Empathie
    Wenn sich Teilnehmende wenig oder gar nicht einbringen, können Lehrende die Perspektive ändern. Statt sich zu ärgern, lohnt es sich,  zu überlegen, ob das Thema emotional herausfordernd war.
  • Kontakt
    Ein guter Kontakt zu den Lehrenden hat gerade im Zusammenhang mit emotional belastenden Themen eine große Bedeutung. Sprechstunden o. Ä. können helfen eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, in der sich die Lernenden  ohne große Überwindung bei den Lehrenden melden können, um Unterstützung zu erhalten.
  • Kommunikation(-sformate)
    Ausreichend Möglichkeiten zur Kommunikation und verschiedene Kommunikationsformate, um mit Lehrenden aber auch mit anderen Lernenden in Kontakt zu kommen,  bieten Lernenden die Möglichkeit über emotional fordernde Themen zu sprechen.

Referenzen

Fritz, J. (1995). Warum Computerspiele faszinieren. Empirische Annäherungen an Nutzung und Wirkung von Bildschirm-Spielen. Weinheim: Juventa. 

Keller, J.M. (1983). Motivational design of instruction. In C.M. Reigeluth (Hg.), Instructional design theories and models: An overview of their current status. Hillsdale, NJ: Erlbaum. 

Mayer, H.; Treichel, D. (2004): Handlungsorientiertes Lernen und eLearning - Grundlagen und Praxisbeispiele. München: Oldenbourg.

Reinmann-Rothmeier, G. (2003). Die vergessenen Weggefährten des Lernens: Herleitung eines Forschungsprogramms zu Emotionen beim E-Learning (Arbeitsbericht Nr. 1). Augsburg: Universität Augsburg, Medienpädagogik. 

Schulmeister, R. (2003). Taxonomy of multimedia component interactivity. A contribution to the current metadata debate. ScomsS: New Media in Education, March, 61-80. 

Thissen, F. (2001). Screen-Design-Handbuch. Heidelberg: Springer. 

Torgovnik, M. (2024).  Der Umgang mit emotional belastenden Themen im E-Learning.  Verfügbar unter www.wb-web.de/aktuelles/der-umgang-mit-emotional-belastenden-themen-im-e-learning.html (zuletzt abgerufen  am 14.02.2024)