Bildungsberatung begleitet oft die praktische Arbeit in allen pädagogischen Bereichen, ist aber auch ein eigenständiges pädagogisches Arbeitsfeld. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, auf welchen Ebenen sie stattfindet, welche Ziele sie verfolgt und welche Formen pädagogischer Unterstützung sie bietet.

Beratung ist keine allgemeine, offene Gesprächssituation, sondern ein konstruiertes Setting, um einer Person einen Raum zu bieten, sich mit einer Entscheidungssituation zu beschäftigen. Hierfür muss nicht explizit nach einem Beratungstermin gefragt werden, es reicht aus, dass zum Beispiel ein Teilnehmender nach einem Training noch Fragen hat und wissen möchte, wie er das Gelernte in der Praxis anwenden kann oder sich nicht sicher ist, ob er in dieser Veranstaltung richtig ist.

 

Das Bild zeigt eine Kursleiterin, die eine Kollegin um Rat bittet.

Beratung auf kollegialer Ebene, Bild: Eigene Darstellung,  CC BY-SA 3.0 DE

 

Beratung kann "organisatorisch, möglicherweise sogar institutionell ausdifferenziert sein, sich auf Teilnehmende beziehen oder auf kollegialer Ebene abspielen. Variationen richten sich außerdem nach Anlass, Inhalt, Dauer, Konzeption der Einrichtung und natürlich nach den persönlichen Orientierungen und Fähigkeiten, die [Lehrende] hier einbringen" (Knoll 2008, S. 14).

Eckpunkte eines gemeinsamen Beratungsverständnisses

Die nfb Forschungsgruppe Beratungsqualität hat 2012 folgendes Beratungsverständnis formuliert:

Die Beraterin/Der Berater agiert professionell. Dies beinhaltet, dass ein explizites Beratungssetting mit Rahmung, Auftragsklärung, Kontrakt und Transparenz geschaffen wird. Es handelt sich in der Regel um eine freiwillige, zeitlich umrissene, prozesshafte, interessen-sensible und ergebnisoffene Interaktion zwischen einer Ratsuchenden/einem Ratsuchenden und einer Beraterin/einem Berater. Einbezogen werden aber auch Kontexte, in denen die Beratung obligatorisch ist und ggf. Sanktionen nach sich ziehen kann. Im Zentrum der Beratung steht die ratsuchende Person mit ihren Interessen, Ressourcen und Lebensumständen, wobei Beratung immer in einem geteilten Verantwortungskontext stattfindet, in dem die Beraterin/der Berater, die ratsuchende Person und die Beratungsorganisation gleichermaßen Verantwortung für den Beratungsprozess übernehmen. Die Interaktion zwischen einer Ratsuchenden/einem Ratsuchenden und einer Beraterin/einem Berater geht über Informationsvermittlung hinaus und umfasst eine subjektiv relevante Reflexion von Sachverhalten, die u.a. eine begründete Entscheidungsfindung seitens der/des Ratsuchenden ermöglicht. Beratung umfasst eine Vielzahl von teilweise ineinander übergehenden Aktivitäten und Formen. Neben der individuellen Beratung gibt es beispielsweise auch Gruppen-, Online- oder aufsuchende Angebote, um möglichst allen Bevölkerungsgruppen ein einfach zugängliches Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen.“  (nfb/Forschungsgruppe Beratungsqualität, 2012, aus Katsarov et al. 2014, S. 7)

Ziele von Beratung

Selten gibt es direkte inhaltliche Ziele in Beratungssettings, jedoch gibt es Verlaufsziele. So soll Beratung auf der individuellen Ebene dazu beitragen, die bildungs- und berufsbiografische Gestaltungskompetenz zu erweitern und damit unter anderem die persönlichen Möglichkeiten von Bildungsbeteiligung und Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Auf diese Weise sollen Teilnehmende zum Beispiel in die Lage versetzt werden, Angebote zu finden, die zu ihnen passen, effizient(er) zu lernen oder das Gelernte in der Praxis anzuwenden.

Darüber hinaus spielen auch bildungs- und arbeitsmarktpolitische Ziele eine Rolle: Eine gute Bildungs- und Berufsberatung kann die Effektivität und Effizienz des Bildungssystems erhöhen, z. B. indem sie die Abbruchquoten verringern hilft. Auf der arbeitsmarkt-politischen Ebene stärkt sie die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes durch die Bereitstellung eines optimal qualifizierten Arbeitskräftepotenzials.

Auf der gesellschaftspolitischen Ebene kann sie die Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe erhöhen und die soziale Integration tendenziell ausgegrenzter Gruppen fördern.

Das Spannungsfeld zwischen Rat geben und Hilfe zur Selbsthilfe in der Beratung

Bildung und Lernen bedeuten, dass ein Mensch dauerhaft lernt, selbstständig Probleme zu lösen, auch in wechselnden Situationen. Je mehr es um die eigene Person geht, desto wichtiger wird dieses "Selbst". Für diese Selbständigkeit braucht es Raum zur Entfaltung und Übung. Unterstützung ist wichtig, aber in Form von Begleitung, nicht direkter Anweisung (vgl. Knoll 2008).

Knoll (2008) empfiehlt vor diesem Hintergrund verschiedene Handlungsformen pädagogischer Unterstützung, die ich inhaltlich und begrifflich unterscheiden.

Klicken sie auf die Fragezeichen im Bild, um sich die von ihm unterschiedenen Handlungsformen (nach Knoll 2008) anzeigen zu lassen. 

 

Handlungsformen pädagogischer Unterstützung, Bild: Eigene Darstellung,  CC BY-SA 3.0 DE

 

Es zeigt sich, dass echte Beratungssituationen seltener sind als der häufige Gebrauch des Begriffs vermuten lässt. Oft sind Anleitung und Information ausreichend und angemessen. Lehrende in der Erwachsenenbildung müssen in der Lage sein, die richtige Handlungsform bewusst zu wählen und zwischen Beratung und Anleitung zu unterscheiden.

Referenzen

BMBF (2007). Bestandsaufnahme in der Bildungs-, Berufs- und Beschäftigungsberatung und Entwicklung grundlegender Qualitätsstandards. Bonn: BMBF.

Katsarov, J.; Schiersmann, C.; Schmidtpott, S.; Schober, K.; Weber , P. (2014). Professionell beraten:  Qualitätsstandards für die Beratung in Bildung,  Beruf und Beschäftigung. Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung e.V. (nfb), Forschungsgruppe Beratungsqualität am Institut für Bildungswissenschaft  der Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg

Knoll, J. (2008). Lern- und Bildungsberatung, Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: wbv Media.

Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb)/Forschungsgruppe Beratungsqualität am Institut für Bildungswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Hrsg). (2012): Ergebnisse des Offenen Koordinierungsprozesses Qualitätsentwicklung 2009-2011 (Mappe mit 3 Broschüren). Berlin/Heidelberg. In: wbv Open Access Portal,  www.wbv.de/openaccess