Ob ein Beratungsgespräch gelingt und harmonisch abläuft, hängt maßgeblich davon ab, ob die Gesprächsstruktur, die Gesprächsführung und das Gesprächsziel kongruent sind. Sind diese nicht stimmig, zeigt sich dies meist deutlich spürbar in der Kommunikation und das Gespräch wird als „unrund“ empfunden. Welche Aspekte und Gesprächstechniken in den verschiedenen Abschnitten eines Beratungsgesprächs von Bedeutung sind, wird im Folgenden erläutert.
Das Bild zeigt eine Dozentin, die an einer Straße steht. Auf der Straße sind die Begriffe "Erstgespräch", "Folgegespräch" und "Bilanzgespräch" zu lesen.

 

Phasen in der Beratung, Bild:  Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

 

Klicken Sie im Folgenden auf die  einzelnen Gesprächsphasen, um sich jeweils die Informationen dazu anzuschauen.

Beratungsgespräche vorbereiten

Das Bild zeigt einen Kursteilnehmer, der seine Dozentin in der Eingangshalle der Sprachschule um Rat bittet.

Beratungsatmosphäre, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

 

Beratende sollten sich, wenn möglich, Zeit zur Vorbereitung nehmen, um ihre volle Aufmerksamkeit dem Ratsuchenden und dessen Anliegen zu widmen. Eine gute Vorbereitung sichert die Voraussetzungen für ein professionelles Gespräch. Auch wenn eine Vorbereitung nicht immer möglich ist oder Gespräche an ungünstigen Orten stattfinden, sollte dennoch eine Atmosphäre geschaffen werden, die eine maximale Konzentration auf den Ratsuchenden ermöglicht.

Checkliste zur Gesprächsvorbereitung

Was Beratende tun können, um sich auf ein Beratungsgespräch vorzubereiten (nach Pantucek 1998):

  • Die Gedanken an andere Aufgaben beiseitelegen und zum Beispiel den Schreibtisch von nicht relevanten Unterlagen freiräumen.
  • Die bisherigen Unterlagen einsehen, wie Falldokumentation, Notizen und Vereinbarungen.
  • Das Gespräch planen,  abhängig vom Gesprächstyp (Erst-, Folge-, Bilanzgespräch)
  • Eine ununterbrochene Gesprächszeit sicherstellen.
  • Das Setting arrangieren: Ausreichend Stühle und eine entspannte, konzentrierte Gesprächsatmosphäre schaffen, nötige Unterlagen bereitlegen.

Der Gesprächsbeginn und Beziehungsaufbau

Das Bild zeigt eine Dozentin, die das Gespräch mit etwas Auflockerndem beginnt: das Aquarium in Ihrem Büro.

Gesprächsbeginn und Beziehungsaufbau, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

 

Nach der Begrüßung und dem Nennen der verfügbaren Zeit beginnt die "warming-up"-Phase. Ein lockeres Gespräch abseits des eigentlichen Themas kann helfen.

Emotionen spielen bei jedem Beratungsgespräch eine Rolle. Es ist wichtig, diese zu erkennen und zu berücksichtigen. Um Vertrauen aufzubauen, sollten Beratende die Dringlichkeit und Bedeutung des Anliegens des Ratsuchenden anerkennen und signalisieren, dass sie bereit sind, gemeinsam Lösungen zu finden.

Beratende sollten beachten, dass nonverbale Signale oft wichtiger sind als Worte. Ungeteilte Aufmerksamkeit, Blickkontakt und eine interessierte Körperhaltung zeigen dem Ratsuchenden, dass er wichtig ist. In der Eingangsphase ist es entscheidend, Kontakt herzustellen und eine Vertrauensbasis aufzubauen.

Die Richtung klären – Ziele und Struktur

Beratung kann aus vielen Gründen gesucht werden: um Situationen zu bewältigen, Entscheidungen zu treffen, Lebensperspektiven zu klären, Interessen und Potenziale zu entfalten, zwischenmenschliche Probleme zu lösen, Interessen durchzusetzen oder Kooperationen zu fördern. Diese Ziele können unausgesprochen oder bewusst und klar formuliert sein (vgl. Knoll 2008).

Ratsuchende konzentrieren sich meist auf die unmittelbare Bewältigung ihrer aktuellen Situation. Beratende hingegen verfolgen oft weiterreichende Ziele, wie zum Beispiel, dass die Betroffenen:

  • Selbstständiger werden: ihre Fähigkeiten und Ressourcen besser nutzen.
  • Lösungen entwickeln: Eigenständig und kreativ Probleme lösen.
  • Zukunftsperspektiven schaffen: langfristige Ziele und Pläne entwickeln.
  • Selbstbewusstsein stärken: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnen.

Die Sicht der Ratsuchenden kann wie folgt aussehen:

 

Das Bild zeigt einen Ratsuchenden und sieben Textfelder, in denen für Ratsuchende relevante Zielperspektiven zu lesen sind.

Zielperspektiven für Ratsuchende, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

 

Die ratsuchende Person konkretisiert ihr Anliegen, während die beratende Person einen strukturierten Ermöglichungsraum bietet. Beratende müssen hierfür schnell und intuitiv erkennen, was beim Gegenüber und bei sich selbst geschieht. Es gibt zwei Ebenen: das, was der Ratsuchende als Problem darstellt, und die Wahrnehmung der beratenden Person, die sich damit decken oder unterscheiden kann. 

Wenn Beratende ein anderes Ziel im Kopf haben, muss dieses nicht umgesetzt werden. Es dient als Anregung und kann in eine Frage umgewandelt oder im Hintergrund bleiben. Dies wird als „Inneres Konzept“ bezeichnet (vgl. Knoll 2008, S. 35).

Damit in einer Situation mit Beratungscharakter alle Beteiligten eine gemeinsame Orientierung entwickeln können, ist folgendes Vorgehen hilfreich (nach Knoll 2008):

 

Das Bild zeigt ein mögliches Vorgehen für Situationen mit Beratungscharakter in sechs Schritten.

Vorgehen für Situationen mit Beratungscharakter, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

 

Im Zusammenhang mit Schritt 4 und 5 fällt die Entscheidung, ob in Richtung Beratung, Anleitung oder Information weitergegangen wird. Die einzelnen Schritte müssen jedoch nicht immer so linear oder in dieser Reihenfolge verlaufen. So könnte zum Beispiel auch mit den Rahmenbedingungen begonnen werden.

Checkliste zur Zieldefinition

Für die Zieldefinition ist folgendes Vorgehen hilfreich (vgl. Knoll 2008):

  • Ziel formulieren: Fragen Sie: „Was ist Ihnen wichtig?“, „Was möchten Sie erreichen?“ oder „Was soll anders werden?“.
  • Zielzustand konkretisieren: Fragen Sie: „Wie sieht das genau aus?“, „Wie fühlt es sich an?“, „Was genau werden Sie tun?“ oder „Woran werden Sie erkennen, dass...?“.
  • Positive Formulierung: Statt „Ich will nicht mehr...“ fragen Sie: „Was möchten Sie stattdessen erreichen?“.
  • Kontextualisieren: Fragen Sie: „In welchen Situationen werden Sie sich wie verhalten?“ oder „Wem gegenüber werden Sie sich wie verhalten?“.

Herausarbeitung von Lösungs- und Kompetenzstrategien

In dieser Phase des Beratungsgesprächs geht es darum, dass Beratende die Problemlösekompetenz der Ratsuchenden wiederherstellen. Durch instruktive und selbstreflexive Methoden wie Visualisierungsübungen und Fragen sollen Lösungen gefunden und Schritte zum Ziel überlegt werden. Besonders hilfreich sind offene und hypothetische Fragen. Die Ratsuchenden erarbeiten ihre Lösungen selbst, während Beratende das Gespräch lenken und zum Erzählen und Reflektieren anregen. Die Fortschritte beruhen allein auf den Ressourcen der Ratsuchenden (vgl Schlüter et al. 2017).

Hilfreiche Ressourcen

Ressourcen sind "Mittel,  die zur Verfügung stehen, eine bestimmte Aufgabe oder Anforderung zu bewältigen. Unterscheiden lassen sich interne und externe Ressourcen. Interne  Ressourcen sind beispielsweise das kognitive individuelle Überzeugungssystem, das Gefühl der Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in die eigene Stärke. Äußere Ressourcen sind u.a. soziale Bezüge wie Familie, Nachbarschaft,  Freundeskreis, Netzwerke, materielle Güter wie Einkommen und kulturelle  Mittel wie Ausbildung und Bildung. Ressourcen werden als Kraft- und Energiequellen gesehen, um Lösungen für Herausforderungen vorzubereiten. Ressourcen lassen sich auch als Kompetenzen verstehen" (Schlüter et al. 2017, S. 96, nach Nußbeck 2006, S. 77). 

Manchmal sind Ressourcen nicht leicht zugänglich, z.B. wenn das Selbstvertrauen fehlt oder es Bildungsbarrieren gibt. In der Beratung geht es darum, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen, um Herausforderungen aktiv anzugehen. Beratende helfen dabei, vorhandene Ressourcen zu erweitern oder gezielt zu nutzen. Manchmal müssen Beratende die Ratsuchenden ermutigen, neue Wege zu gehen und sich für die nächsten Schritte zu öffnen. Dies kann bedeuten, Zieldiskrepanzen zu klären, verschiedene Möglichkeiten zu durchdenken oder unrealistische Ziele loszulassen.

Beispielfragen, um Ressourcen zu aktivieren (nach Schlüter et al. 2017):

 

Das Bild zeigt einen Ratsuchenden und einen Zauberstab.

Zielvision/Wunderfrage, Bild:  Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

  • Was wäre, wenn alle Ihre Probleme plötzlich gelöst wären? Wie würden Sie das erkennen? (Zielvision bzw. Wunderfrage)
  • Gab es schon einmal eine Zeit in Ihrem Leben, in der Sie Ihrem Zielzustand näher waren als jetzt? (Ausnahmefrage)
  • Ich sehe, dass Sie vor Herausforderungen stehen. Wie schaffen Sie es, all das zu bewältigen? (Copingfrage)
  • Welches innere Bild kann Ihnen helfen, einen Schritt in die gewünschte Richtung zu gehen? Und auf einer Skala von 1 bis 10, wie nahe sind Sie Ihrem Ziel momentan? (Ressourcen- und Skalierungsfrage)
  • Es ist sehr beeindruckend, was Sie schon hingekriegt haben. (Erreichte Teilziele beziehungsweise Ressourcen markieren)

Selbstwirksamkeit bestätigen

Selbstwirksamkeit bedeutet, dass man grundsätzlich die Fähigkeiten besitzt, die man braucht. Man muss sie nur aktivieren und nutzen. Es geht nicht darum, Mängel zu sehen, sondern das eigene Potenzial zu entwickeln. Beratende sind deshalb vor allem „Entwickler von Möglichkeitssinn, Aktivierer von Ressourcen, Ermutiger für den ersten Schritt, Bewunderer von Autonomie, Unterstützer von Selbstwirksamkeit zu sein“ (Bamberger 2010, S. 339).

Dies lässt sich konkret dadurch realisieren, dass Beratende (vgl. Schlüter et al. 2017)

  • Auf die Grundbedürfnisse der Ratsuchenden eingehen, wie Orientierung und Kontrolle, Zugehörigkeit und Bindung, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz sowie Lustgewinn bzw. Unlustvermeidung.
  • Eine wertschätzende Beziehung zu den Ratsuchenden aufbauen. 
  • Den Ratsuchenden vermitteln, dass sie die meiste Zeit ihres Lebens selbst managen und dass ihre Fähigkeiten im Gespräch willkommen sind.

Lösungen finden

Dieser Schritt variiert je nach Situation und den Ausgangsbedingungen. Bei der Suche nach Lösungen müssen die Normen, Werte und Ressourcen der Ratsuchenden sowie die praktische Umsetzbarkeit berücksichtigt werden. Die Entscheidung über die Lösung liegt jedoch bei den Ratsuchenden und nicht beim Beratenden. Es ist wichtig zu überlegen, wer welche Rolle bei der Entscheidungsfindung spielt.

Folgende Fragen können helfen (vgl. Schlüter et al. 2017):

  • Welche Lösungsansätze wurden bereits versucht und mit welchem Erfolg?
  • Gibt es neue Ideen zur Lösung, die noch nicht ausprobiert wurden?
  • Wie realistisch erscheint die Umsetzung der vorgeschlagenen Lösung?
  • Was wäre der erste konkrete Schritt und wann planen Sie, ihn umzusetzen?
  • Welche Veränderungen müssen eintreten, damit das Problem nicht mehr auftritt?
  • Welche Hindernisse könnten auf dem Weg auftreten?
  • Gibt es offene Fragen, die noch geklärt werden müssen?
  • Welche zusätzlichen Ressourcen benötigen Sie möglicherweise?

Abschluss

Das Bild zeigt einen Kursteilnehmer und seine Dozentin an einer Autobahn. Auf den Autobahnschildern sind Fragezeichen sowie das Wort "Transfer" zu lesen.

Abschluss des Beratungsgesprächs, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

Der Abschluss des Gesprächs ermöglicht eine Zusammenfassung und Abstimmung der Gesprächspartner über den Verlauf und Inhalt des Beratungsgesprächs:

  • Wie geht es dem Ratsuchenden nach dem Gespräch? Was lief möglicherweise gut oder schlecht? (Auswertung)
  • Welche Ergebnisse wurden im Gespräch erzielt? (Ertrag)
  • Was sind die nächsten Schritte, falls erforderlich? (Transfer)
  • Wie ist die Verbindung zwischen den Gesprächspartnern nach dem Gespräch?

Nachbereitung

Das Bild zeigt eine Dozentin in der Nachbereitungsphase. In einer Denkblase sieht man sie und ihren Kursteilnehmer im Gespräch.

Nachbereitungsphase, Bild: Eigene Darstellung, CC BY-SA 3.0 DE

Die Nachbereitung hilft dabei, sich an den Verlauf des Gesprächs zu erinnern, eigene Reaktionen zu reflektieren und Vereinbarungen festzuhalten.

Folgende Fragen können dabei hilfreich sein (vgl. Knoll 2008):

  • An was kann ich mich besonders gut erinnern?
  • Was hat mich gestört? Was hat mich gefreut?
  • Wann war ich besonders aktiv und engagiert? Wann war ich eher zurückhaltend oder unsicher?
  • Wann war der Ratsuchende besonders aktiv und engagiert? Wann eher zurückhaltend?
  • Was würde ich im Rückblick anders machen?

Referenzen

Bamberger, G. (2010). Lösungsorientierte Beratung. Weinheim: Beltz PVU Psychologie Verlags Union.

Knoll, J. (2008). Lern- und Bildungsberatung, Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: wbv Media.

Nußbeck, S. (2019). Einführung in die Beratungspsychologie. Stuttgart: utb GmbH.

Pantucek, P. (1998). Techniken der Gesprächsführung. St. Pölten: Bundesakademie für Sozialarbeit.

Rogers, C. R. (1991). Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Client-Centered Therapy. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch.

Schlüter, A.; Kress, K. [Hrsg.] (2017). Methoden und Techniken der Bildungsberatung. Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Thomann, C.; Schulz von Thun, F. (2003): Klärungshilfe 1, Handbuch für Therapeuten, Gesprächshelfer Moderatoren in schwierigen Gesprächen, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH.

Wimmer, A., Buchacher, W., Kamp, G., & Wimmer, J. (2012). Das Beratungsgespräch. Skills und Tools für die Fachberatung. Wien: Linde.