Eine hohe allgemeine (körperliche) Aktivität der Lernenden ist nicht gleichzusetzen mit einer hohen kognitiven Aktivität. Bei kognitiver Aktivität geht es um die aktive mentale Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand.
Das Bild zeigt Herrn K. an einer Tafel.

In seinem Seminar zum Thema Arbeitsrecht für angehende Führungskräfte legt Herr K. großen Wert darauf, den Teilnehmenden nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern sie auch kognitiv zu aktivieren. Er möchte vermeiden, dass die Teilnehmenden den Seminarraum mit vielen Informationen verlassen, deren Relevanz für sie selbst jedoch nicht zu erkennen und diese nicht in der Praxis anwenden zu können.

Für seine Lernenden ist es wichtig zu lernen, juristisch korrekt und selbstsicher zu agieren, ihre Mitarbeitenden erfolgreich und souverän zu führen und sich in schwierigen Situationen angemessen zu verhalten. Damit eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten stattfinden kann, erklärt Herr K. den Führungskräften die Lerninhalte anhand von konkreten situationsbezogenen Beispielen und stellt sie anschließend vor komplexe Problemstellungen aus dem Alltag, die sie selbst erarbeiten müssen. So versucht er, eine intensive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten bei den Teilnehmenden anzuregen.

Grundsätzlich geht man von einer Einheit zwischen Denken und Handeln aus, was insbesondere für eine Erreichung von Lernzielen und den Transfer des Gelernten in die Praxis bedeutsam ist. Jedoch ist für aktivierende Lehr-Lernprozesse weniger die Wahl von Methoden, die eine hohe körperliche Aktivität mit sich bringen, entscheidend. Vielmehr ist die Intensität der Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen ausschlaggebend. 

 

Sicht- und Tiefenstruktur von Lehr-Lernprozessen

Die Forschung zur Unterrichtsqualität verdeutlicht, dass es für den Lernerfolg weniger auf die sogenannten Sichtstrukturen ankommt als auf die Tiefenstrukturen von Lehr-Lernprozessen.

Sichtstruktur:

Unter der Sichtstruktur wird die Ebene von Lehr-Lernprozessen verstanden, die im sichtbaren Bereich liegt, also beobachtbar ist. Die Sichtstruktur beschreibt den Verlauf und bezieht sich auf die Vorgehensweise der Lehrenden und die von ihnen frei arrangierbaren und austauschbaren Bedingungen des Lehr-Lernprozesses (Methoden des Unterrichts, Medieneinsatz, unterrichtliche Interaktionen u. a. m.).

Tiefenstruktur:

Die Tiefenstruktur ist die Ebene der inneren Lernprozesse, der Lernwege und Lernaktivitäten der Teilnehmenden. Diese laufen nach außen nicht sichtbar in den Köpfen der Lernenden ab, wenn diese sich Wissen aneignen, Probleme lösen oder Fertigkeiten einüben. Die je Lernziel notwendigen Lernoperationen basieren auf lernpsychologischen Gesetzmäßigkeiten, die unveränderlich sind und für ein Erreichen der Ziele notwendigerweise durchlaufen werden müssen ...

 

Der Anregungsgehalt von Lernangeboten

Das Ziel eines kognitiv anregenden Lehr-Lernprozesses besteht darin, konzeptuelles Verständnis und anwendbares Wissen aufzubauen. "Um die Leistung der Lernenden zu fördern, ist vor allem eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten entscheidend, was vor allem über die kognitive Aktivierung erreicht werden kann" (Lipowsky et al. 2019, S. 80). Dazu eignet sich ein Lehr- und Lernprozess, der die eigenständige und kooperative Bearbeitung von komplexen Problemstellungen in möglichst authentischen Lernsituationen ermöglicht.

In diesem Zusammenhang ist es laut dem Psychologen Richard Mayer wichtig zu unterscheiden, ob  Lernangebote bzw. einzelne Maßnahmen wie Aufgabenstellungen oder Rückmeldungen der Lehrenden die Lernenden lediglich in ihrem Verhalten oder aber tatsächlich kognitiv anzuregen vermögen.

 

Das Bild zeigt das Vierfelderschema.

Verhältnis von kognitiver Aktivität und Aktivität im Verhalten, 

Abbildung: Eigene Darstellung nach Mayer, 2004, S. 15

 

Auf die Leistung und das konzeptuelle Verständnis der Lernenden dürften sich dabei nur diejenigen Aktivitäten positiv auswirken, die sich durch eine hohe kognitive Aktivierung auszeichnen – also diejenigen Merkmale, welche die Intensität und Tiefe der Beschäftigung der Lernenden mit den Lerninhalten direkt beeinflussen (vgl. Fauth et al. 2018).

Ein kognitiv aktivierendes Lernangebot sollte dabei besonderes Augenmerk auf die in den folgenden drei Karten aufgeführten Merkmale legen (Punkte nach Fauth et al. 2018). 

Wenden Sie die Karten, um die Rückseite zu sehen.

 


Referenzen

Fauth, B.; Leuders, T. (2018): Kognitive Aktivierung im Unterricht. Stuttgart: Landesinstitut für Schulentwicklung.

Lipowsky, F. & Hess, M. (2019). Warum es manchmal hilfreich sein kann, das Lernen schwerer zu machen.  Kognitive Aktivierung und die Kraft des Vergleichens. In K. Schöppe & F. Schulz (Hrsg.), Kreativität & Bildung – Nachhaltiges Lernen (S. 77–132). München: kopaed.

Mayer, R. E. (2004). Should there be a three-strikes rule against pure discovery learning? American Psychologist, 59 (1), 14–19.

Oser, F. K. & Baeriswyl, F. J. (2001). Choreographies of Teaching: Bridging Instruction to Learning. In V. Richardson (Hrsg.), Handbook of Research on Teaching (4. Aufl., S. 1031-1065). Washington: American Educational Research Association.

Schröder, H. (2002). Lernen – Lehren – Unterricht: Lernpsychologische und didaktische Grundlagen. München/Wien: Oldenbourg.