Im Bildungsbereich stößt man oft auf unangenehme Situationen: Lernende zeigen wenig Interesse, verweigern vorgeschlagene Methoden oder beschäftigen sich nicht mit den Aufgaben. Widerstand entsteht. Doch was steckt dahinter? Lohnt sich ein Blick auf die Wissenschaft?

Für Lernwiderstände sind meistens diverse Ursachen und Auslöser verantwortlich. Genauso können Lernwiderstände sich auf vielfältige Weise ausdrücken. Die eine Teilnehmerin bringt ihren Unmut über Probleme laut zum Ausdruck, während der andere Lerner still aus dem Lernprozess aussteigt und mit Passivität reagiert. Auch die Folgen von Lernwiderständen reichen von Kursabbruch über Aufmischen und Beeinflussen der gesamten Kursgruppe bis hin zu einem eigenständigen Wiedereinsteigen in den Lernprozess.

Lernwiderstand ≠ Lernstörung

Der Begriff Lernwiderstand ist nicht gleichzusetzen mit Lernstörungen. Störungen sind äußere Einflüsse positiver oder negativer Art, die den Lehr- und Lernprozess beeinflussen. Störungen können aber je nach Intensität zu Lernwiderständen führen. Andersherum können aus Lernwiderständen auch Störungen entstehen, wenn das betroffene Kursmitglied extrovertiert den eigenen Frust über den nicht gelingenden Lernprozess nach außen trägt und damit zum Störfaktor für Kursleitung oder Kursgruppe wird.

Lernen-Wollen vs. Lernen-Sollen

Lernen kann freiwillig erfolgen oder aufgetragen werden. Es macht in vielerlei Hinsicht einen Unterschied, ob ein Kurs  aus persönlichem Interesse besucht wird oder der Arbeitgeber die Mitarbeitenden zu einer Fortbildung verpflichtet. Nicht nur Motivation und Leistungsbereitschaft sind beim Lernen-Wollen höher, auch die Gefahr von Lernwiderständen und Lernabbrüchen sind deutlich geringer. Wer etwas lernen möchte, der kann auch über kleinere Störungen im Lernprozess hinwegsehen, weil die Erreichung des Lernzieles höher wiegt als der Drang, einer Ablenkung nachzugeben.

Lernwiderstände im wissenschaftlichen Diskurs

Lernbereitschaft steht im Zentrum der Diskussion um Lernwiderstände. Verschiedene Lerntheorien wie Behaviorismus, Konstruktivismus und Kognitivismus haben ihre Grenzen, da Menschen ihrem Handeln Sinn zuweisen und sich so von anderen Organismen unterscheiden. Lernen ist nicht nur eine passive Reaktion oder Verhaltensänderung; das Warum ist entscheidend. Zudem wird die Rolle der Lehre oft vernachlässigt – Bildung ist nur bedingt herstellbar!

Faulstich und Grell (2003) betonen, dass die Subjektwissenschaftliche Lerntheorie um Holzkamp (1997) gut geeignet ist, um Lernwiderstände zu verstehen und zu akzeptieren: "Er redet über Lernen nicht als Bedingtheit, die durch äußere Reize verursacht wird, auf die Menschen bloß passiv reagieren. [...] Er fragt: "Was sind eigentlich die Gründe, warum Menschen lernen? Warum wollen Menschen lernen?" (Faulstich & Grell 2003, S.  7)

Es gibt zwei Arten des Lernens: Mit-Lernen und Intentionales Lernen. Im Alltag lernen wir oft unbewusst (Mit-Lernen), während Intentionales Lernen auftritt, wenn wir ein Problem nicht lösen können und gezielt neue Kompetenzen erwerben wollen (expansives Lernen).

Defensives Lernen geschieht ohne persönliches Interesse, oft nur zum Bestehen einer Prüfung oder zum Erwerb eines Zertifikats. Geringes expansives Lernen erhöht das Risiko von Lernwiderständen, da fehlende Identifikation mit dem Lernstoff und hoher Lerndruck das Lernen erschweren.

Was erwachsene Lernende wollen:

Kurz zusammengefasst (vgl. Faulstich & Grell  2003) sind die folgenden Punkte wichtig, um  expansives Lernen wahrscheinlicher zu machen. 

Erwachsene Lernende wollen:

  • nicht erzogen werden,
  • sich keinen Zeitzwängen unterwerfen,
  • wissen, wofür sie etwas lernen,
  • an Planung und Auswertung einer Veranstaltung beteiligt werden
  • einen Beleg für ihren Lernfortschritt.

Diese Punkte können selten in Gänze berücksichtigt werden, jedoch sollten sich Lehrende diese vor Augen führen, wenn sie Weiterbildungen planen. Berücksichtigt ein Lernangebot einen oder mehrere dieser Punkte nicht oder nicht ausreichend, können Lernwiderstände entstehen.

Abschließend lässt sich sagen, dass es sinnvoll ist, Lernwiderstand "als sinnvolle, begründete Handlung und Haltung sichtbar zu machen und anzuerkennen, ihn aber auch über die Bedeutung als subjektive Stellungnahme hinaus als gesellschaftlich relevantes Interesse gegen Weiterbildung" (Holzer 2023, S. 27) und alles, was mit ihnen zu tun hat, wahrzunehmen.


Referenzen

Faulstich, P. & Bayer, M. (Hrsg.). (2008). Lernwiderstände. Anlässe für Vermittlung und Beratung. Hamburg: vsa.

Faulstich, P. & Grell, P. (2003). Lernwiderstände aufdecken – Selbstbestimmtes Lernen stärken. Verfügbar unter: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2003/faulstich03_01.pdf   (zuletzt abgerufen am 18.09.2019)

Holzer, Daniela (2023). Beredtes Schweigen – kritisch-theoretische Perspektiven auf Weiterbildungswiderstand. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 50, 2023. S.  20-29

Holzkamp, K. (1997). Lernen und Lernwiderstand. Skizzen zu einer subjektwissenschaftlichen  Lerntheorie. In: Schriften. Bd. 1. Normierung, Ausgrenzung, Widerstand. Berlin, Hamburg. S. 159 -  195. 

Huber, A. (2003). Möglichkeiten des konstruktiven Umgangs mit Widerstand in erwachsenendidaktischen Veranstaltungen. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 2003 (2), 133 - 145. Tröster, M. (2000). Lernwiderstände. DIE Zeitschrift, 2000 (2), 41.