Lesen Sie die Zusammenfassung und schließen Sie den Lernschritt mit dem untenstehenden Button ab.

Die LEO-Studie 2010 ermittelte erstmals repräsentative Zahlen zum funktionalen Analphabetismus in Deutschland und sorgte mit dem Ergebnis von 7,5 Millionen betroffenen Erwachsenen für große Aufmerksamkeit. Die Wiederholung im Jahr 2018 ergab einen Rückgang auf 6,2 Millionen, entsprechend 12,1 % der 18- bis 64-Jährigen. Seither wird nicht mehr vom funktionalen Analphabetismus, sondern von geringer Literalität gesprochen. Grundlage ist das Alpha-Level-Modell: Wer nur Level 1 bis 3 erreicht, gilt als gering literalisiert. Ab Level 4 spricht man von Alphabetisierung, dieses Niveau erreichen etwa 10,6 Millionen (20,5 %). Die Mehrheit liegt oberhalb, insgesamt 34,8 Millionen.

Die Ergebnisse zeigen, dass geringe Literalität keineswegs allein auf Zuwanderung zurückzuführen ist. Zwar geben 47 % der gering literalisierten Erwachsenen an, mit einer anderen Familiensprache als Deutsch aufgewachsen zu sein, dennoch sind die meisten in Deutschland geboren und eingeschult worden. Auch beim Bildungsabschluss räumt die Studie mit Vorurteilen auf: Zwar haben 22,3 % keinen und 40,6 % einen niedrigen Abschluss, doch 18,5 % verfügen über einen mittleren und 16,8 % sogar über einen hohen Schulabschluss – teils im Ausland erworben. Auch beim Arbeitsmarkt bestätigt sich kein einfaches Bild: 62,3 % der gering Literalisierten sind erwerbstätig, 12,9 % arbeitslos. Damit ist Erwerbslosigkeit nicht gleichzusetzen mit geringer Literalität, auch wenn Betroffene stärker in prekären Beschäftigungen und von Arbeitsplatzverlust bedroht sind. Bemerkenswert ist zudem, dass 77,8 % in ihrer Erstsprache lesen und schreiben können – es handelt sich also oft um geringe Literalität in der Zweitsprache Deutsch.

Die lea-Diagnoseinstrumente ergänzen die LEO-Ergebnisse, indem sie in den Bereichen Schreiben, Lesen, Sprachempfinden und mathematisches Grundwissen unterschiedliche Skalen definieren. Je nach Kompetenzbereich variieren die Anzahl der Alpha-Levels, wodurch differenzierte Aussagen über schriftsprachliche und mathematische Fähigkeiten möglich sind.

Die PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) vergleicht grundlegende Kompetenzen Erwachsener international. Sie misst Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen auf sechs Stufen („unter Stufe 1“ sowie Stufen 1 bis 5). Anders als die LEO-Studie arbeitet sie nicht mit dem Begriff der geringen Literalität. Ein direkter Vergleich ist schwierig, dennoch lassen sich grobe Zuordnungen vornehmen: „Unter Stufe 1“ entspricht in etwa den Alpha-Levels 1 bis 3 (teilweise auch Level 4), während Stufe 1 Schnittmengen mit Alpha-Level 4 aufweist. Laut PIAAC 2023 liegen 7 % der Erwachsenen in Deutschland im Bereich „unter Stufe 1“ und 13 % auf Stufe 1. Die Werte bestätigen die Relevanz geringer schriftsprachlicher Kompetenzen im internationalen Vergleich und zeigen wie in der LEO-Studie Zusammenhänge mit Bildungsabschlüssen und Migrationsgeschichte.

Insgesamt machen beide Studien deutlich, dass geringe Literalität ein strukturelles Problem darstellt, das verschiedene gesellschaftliche Gruppen betrifft, mit Schulbildung, beruflicher Situation und Mehrsprachigkeit verflochten ist und auch in Industrieländern in alarmierendem Umfang auftritt.