Gruppen, die für eine bestimmte Zeit zusammen lernen oder arbeiten, müssen erst zusammen finden. Das läuft jedoch keineswegs zufällig ab. Jede Gruppe versucht, sich so schnell wie möglich zu strukturieren, denn zum Funktionieren einer Gruppe ist die Verteilung und die Übernahme von Rollen notwendig. Dabei sind emotionale Erfahrungen der einzelnen Mitglieder von entscheidender Bedeutung. Durch positive oder negative Erfahrungen und Charakter übernimmt daher das Gruppenmitglied unbewusst bestimmte Rollen. Die einzelne Rolle beinhaltet Erwartungen und Verpflichtungen.
Es gibt viele Verhaltensmuster der Mitglieder, die auf wundersame Weise in verschiedenen Gruppen – und seien sie noch so unterschiedlich – wieder finden lassen. Im sozialen Geflecht einer Gruppe haben alle Teilnehmenden eine oder sogar mehrere Rollen, die ihnen zum einen von den anderen Mitgliedern zugeordnet werden, die sie sich zum anderen aber auch selber suchen.
Verschiedene Rollen in Gruppen
Es gibt keine wissenschaftlich einheitliche und allgemein anerkannte Typisierung von Gruppenmitgliedern. Es können psychologische, gruppendynamische und funktionale Gruppenrollen betrachtet werden.
Psychologische Rollengruppen beschreiben das Verhalten des jeweiligen Rollenträgers aus seiner psychologischen Veranlagung heraus. Sie werden auch als Charakterrollen bezeichnet. Typische psychologische Rollen sind der Gerechte, der Fleißige, der Versager, der Clown, der Vielsager, der Streitsüchtige.
Gruppendynamische Rollen beschreiben, wie einzelne Gruppenmitglieder im konkreten Kontext die Ziele, Werte und Themen einer Gruppe prägen. Diese Rollen werden innerhalb der Dynamik der Gruppe sichtbar und beeinflussen das Arbeiten in der Gruppe. Sie machen zum Beispiel deutlich, wer in der Gruppe Einfluss nimmt oder wer Aufmerksamkeit erhält. Typische gruppendynamische Rollen sind der Anführer, Mitläufer, Sündenbock, Außenseiter, Unterstützer, Moderator.
Funktionale Rollen beschreiben die konkreten Funktionen, die das jeweilige Gruppenmitglied innerhalb der Gruppe einnimmt. Diese Rollen sind eine Kombination aus Sozialverhalten und Aufgabenbewältigung, allerdings werden diese häufig vorab festgelegt beziehungsweise zugeordnet. Typische funktionale Rollen sind der Organisierer, Entwickler, Beobachter, Analyst.
Da es in Trainings und Weiterbildungen meistens keine funktionalen Rollen gibt, sind hier die psychologischen und gruppendynamischen Rollen relevant. Zu diesen gibt es ein paar wichtige Punkte:
- Jeder Typ einer Gruppe findet sich nie in „reiner“ Form. Alle aufgezählten Eigenschaften sind pauschalisiert.
- Bei den Rollen handelt es sich nicht um zugeordnete oder verliehene Aufgaben oder Titel, sondern vielmehr um die Zuordnung von Eigenschaften durch die Gruppe mit entsprechenden Erwartungen, die daraus resultieren. Entspricht einer den Erwartungen nicht, kommt es zu Störungen.
- Wichtig ist zu bedenken, dass diese Typen sich meistens nur in der jeweiligen Gruppe wieder finden lassen. Eine Person „spielt“ mehrere Rollen, je auch Umfeld. So ist der „Anführer“ vielleicht in einem Training der „Null-Bock-Typ“, genauso aber auch der „Fachmann“ im Fußball-Verein oder der "Moderator" bei Familienfeiern.
- Die Einteilung in verschiedene Typen birgt die Gefahr des Verurteilens und dient nicht der Festlegung in Schubladen. Vielmehr soll es hilfreich sein, Gruppenmitglieder und Gruppendynamiken über die Typisierung in seiner Ganzheitlichkeit leichter zu erfassen und entsprechend handeln zu können.
- Der Umgang mit bestimmten Rollen und Dynamiken ist nicht immer einfach. Das Wissen darüber aber ein Anfang.
- Beim Umgang mit Typen gibt es keine Rezepte, da jeder Gruppenleiter mit seiner Vorgeschichte, seinen Qualitäten, seinen Eigenarten unterschiedlich reagiert und leitet. Aber es gibt Tipps im Umgang mit Typen, die es sich lohnt auszuprobieren.
Verschiedene Rollen in der Weiterbildung
Rollen haben jeweils in Gruppen unterschiedliche Aufgaben. Der Psychologe und Trainer Eberhard Stahl beschreibt es wie folgt: Grundsätzlich haben Rollen die Aufgabe, das gesamte Gruppengeschehen zu vereinfachen, da sie eine Art Erwartungssicherheit schaffen und dadurch das überaus komplizierte Geschehen reduzieren. Dies spiegelt sich in den folgenden vier Hauptfunktionen wieder:
- Rollen verleihen den Rollenmitgliedern eine Identität. Dadurch wird die Selbstunsicherheit und die Angst der Einzelnen reduziert, jedoch wird die Chance für anderes (nicht-rollenkonformes) Verhalten massiv eingeschränkt.
- Rollen erleichtern die Kommunikation. Rollenkonformes Verhalten trägt dazu bei, dass der Umgang miteinander beschränkt und definiert wird. Andernfalls würde jede Kommunikation Ungewissheiten hervorrufen, wie das Gegenüber zum Beispiel reagiert.
- Die Gruppendynamik bleibt durch eine Rollenverteilung im Gleichgewicht. Jedes nicht-rollenkonforme Verhalten löst den Gleichgewichtszustand der Gruppe auf und reißt alle anderen Mitglieder mit, da sich diese in dem nun herrschenden Ungleichgewicht neu positionieren und sich die gesamte Gruppe neu ausbalancieren muss.
- Eine Rollenverteilung sorgt für eine thematische Orientierung. Das bedeutet zum Beispiel, dass Rolleninhaber während eines Konflikts für bestimmte Themen stehen. Für Menschen ist es einfacher, sich mit einer Person auseinanderzusetzen als mit einem Thema.
Rollen bringen also viele Vorteile, jedoch auch Nachteile mit sich. In der folgenden Grafik sind einige davon aufgeführt. Wenn Sie auf die Kreise klicken, können Sie lesen, was für die jeweiligen Typen typisch ist und wie man als Weiterbildnerin und Weiterbildner mit ihnen umgehen kann.